Im Interview mit Dr. Peter Stangner, Senior Manager bei Continental Business Consulting (Continental AG)
Continental Business Consulting (CBC) ist die Management- und Businessberatung des Technologieunternehmens Continental, einem der größten Automobilzulieferer, Industriespezialisten und Reifenhersteller weltweit. Seit 2011 bietet CBC weltweit maßgeschneiderte Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette an. Besondere Schwerpunkte der Beratungsleistungen liegen in den Themenfeldern neue Mobilitätslösungen, Entwicklungseffizienz, digitale Transformation und Industrie 4.0. So unterstützt CBC ihre Kunden bei der Neuausrichtung von Geschäftsaktivitäten und Organisationsstrukturen, Prozessoptimierungen und der Einführung von IT-Lösungen. Mit ihrem international erfahrenen Team erfüllt CBC die hohen Anforderungen an eine Inhouse Beratung von der ersten konzeptionellen Idee bis hin zur nachhaltigen Implementierung. Im Interview mit Dr. Peter Stangner, Senior Manager bei Continental Business Consulting sprechen wir über die Themen Agile Transformation, Process Excellence und Funktionale Sicherheit.
Entscheider kompakt: Herr Dr. Stangner, Deutschland ist eines der exportstärksten Länder der Welt. Dabei spielt unser Know-how im Bereich Engineering eine große Rolle. Das Gefühl ist, dass wir hier derzeit an Boden verlieren. Ob künstliche Intelligenz oder Mobilität in keinem dieser Bereiche sind wir mehr führend. Wie schätzen Sie im Moment die Engineering Qualität und Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ein?
Peter Stangner: Mein Eindruck ist, dass deutsche Hersteller noch immer technologisch an der Weltspitze stehen. Letztlich kommt es auf das Gesamtpaket aus Funktionalität, Entwicklungszeit, Kosten und Qualität an, das über den Markterfolg entscheiden wird. Ich bin überzeugt, dass Deutschland speziell im Premiumbereich auch zukünftig seine Marktposition verteidigen wird, sofern wir die Potentiale neuer Technologien klug und zielgerichtet für uns passend einsetzen. Digitalisierung und künstliche Intelligenz werden den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht nur verändern, sondern insbesondere in Zeiten des demographischen Wandels essentiell zu seiner Absicherung beitragen.
Entscheider kompakt: Ihr Unternehmen ist seit vielen Jahren erfolgreich im Bereich Engineering Performance unterwegs. Auf welche Probleme oder Missstände treffen Sie am häufigsten?
Peter Stangner: Mit unseren Angeboten für ein verbessertes Engineering Performance Management vertrete ich einen sehr spannenden Themenbereich von Continental Business Consulting, zu dem auch unsere Projekte im Umfeld agiler Transformationen gehören. Eine klassische Herausforderung liegt z.B. im Verständnis und der damit verbunden Erwartungshaltung an den Begriff der „Agilität“. Dies kann dazu führen, dass auf Methoden, die das Arbeitsumfeld von Entwicklern eigentlich verbessern sollten, mitunter anfangs ablehnend reagiert wird. Beim Einführen agiler Entwicklungsmethoden und -prozesse kommt es somit auf ein gutes Erwartungsmanagement auf allen beteiligten Ebenen an, um nachhaltige Ergebnisse zu erzielen.
Entscheider kompakt: Die Digitalisierung hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschwindigkeit in der heute Entwicklungen stattfinden. Dazu sind in den Unternehmen Veränderungsprozesse notwendig. Wie beginnen Sie bei CBC im Allgemeinen ihre Projekte, wenn es um den Bereich agile oder digitale Transformation geht?
Peter Stangner: Agile Transformationen lassen sich recht einfach beginnen. Zumeist werden sie durch das Management eingeleitet. Es gibt auch sehr progressive Software-Teams bzw. Entwicklungsprojektverantwortliche, die von sich aus neue Wege einschlagen möchten. Aber ganz unabhängig davon, wer die Veränderungen anstößt - das große Risiko besteht darin, dass nach einiger Zeit die Transformation ins Stocken kommt. Mitunter kann sie nicht so schnell wie zunächst erhofft ihr volles Potential entfalten und alle fallen wieder „auf Start“ zurück. Das gilt es zu verhindern. Deshalb beginnen wir bereits in der Konzeptphase das große Zielbild für die Zukunft unter Berücksichtigung der konkreten Anforderungen zu erarbeiten. Gerade in Matrixorganisationen mit verschiedenen Entwicklungsorganisationen, vielen Projekten in zahlreichen Standorten ist es wichtig, sehr frühzeitig die zukünftigen Planungsmethoden, Rollenverantwortlichkeiten, einzusetzende IT Tools und die nachhaltige Verankerung in der Organisation zu klären.
Entscheider kompakt: Um an der Weltspitze dabei zu sein, ist es notwendig in seinem Bereich führend zu sein. Wie stellen Sie im Rahmen Ihrer Consulting Tätigkeit sicher, dass die Unternehmen sich mehr und mehr in Richtung Process Excellence bewegen?
Peter Stangner: Fahrzeughersteller erwarten von der Continental die Erfüllung eines angemessenen ASPICE Levels, was ein Ausdruck für die Prozessreife in der automobilen Softwareerstellung ist. Darüber hinaus stellt eine hohe Prozessreife die Basis für geringe Iterationen in der Softwareentstehung dar, was sich unmittelbar auf die Entwicklungseffizienz auswirkt. Die Herausforderung liegt somit nicht darin, unsere Auftraggeber zu motivieren, in Richtung Process Excellence zu gehen. Es ist vielmehr die konsistente Anwendung der Prozesse in den vielen Projekten. Zum Beispiel erwarten chinesische Fahrzeughersteller sehr kurze Entwicklungszyklen. Dieser Termindruck ist mitunter mit der Erstellung aller im Prozess definierten Arbeitsprodukte schwer vereinbar. Zur Überwindung solcher Zielkonflikte ist es notwendig, echten „Ownership“ für Prozesse und der notwendigen Arbeitsprodukte in einer Organisation zu etablieren, um zum Beispiel Engpässe in manchen Projektphasen zu vermeiden. Durch unsere Unterstützung ermöglichen wir es Organisationen, ihre Zielprozesse tatsächlich zu leben und damit die Projektziele zu erreichen.
Entscheider kompakt: Sicherheit in den Abläufen aber auch die Sicherheit vor Cyber Kriminalität sind für die Unternehmen heute von besonderer Bedeutung. Was würden Sie Unternehmen raten um insbesondere die Funktionale Sicherheit zu erhöhen?
Peter Stangner: Cyber Security und Funktionale Sicherheit sollten in der Diskussion differenziert behandelt werden. In vielen Unternehmen ist es häufig so, dass die Methoden der Sicherheitsanalysen (FMEA, FTA, FMEDA), mitunter nur als eine Art Pflichtübung in Projekten wahrgenommen werden. Wer diese Methoden jedoch früh im Entwicklungsprozess eingesetzt und diese effektiv miteinander kombiniert, kann sein Produktdesign bereits frühzeitig viel robuster auslegen, was später hohe Änderungskosten vermeidet. Darüber hinaus sollten sich Unternehmen stets der Bedeutung dieser Methoden bewusst sein, um später mögliche Produkthaftungsrisiken zu vermeiden. Um den größten Nutzen aus den Methoden zur funktionalen Sicherheit zu ziehen ist ein systematisches Aufsetzen der Methoden sowie eine konsequente und effiziente Einbindung der unterschiedlichen Experten erforderlich. Hier bieten wir beispielsweise als CBC professionelle Unterstützung mit zertifizierten Functional Safety Professionals an.
Entscheider kompakt: Viele Unternehmen sind heute auch auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen und versuchen somit ihre Marktposition zu stärken. Inwiefern kann Digitalisierung oder Software Analytics dazu beitragen?
Peter Stangner: Die Digitalisierung ermöglicht das Erschließen neuer Geschäftsfelder und hinterfragt gerade im Automobilbereich die lange etablierten Geschäftsmodelle. Das Thema Software Analytics nutzen wir jedoch eher in einem anderen Kontext. Gemeinsam mit einem Technologiepartner setzen wir derzeit auf sogenannte „SW Health Checks“ mit denen wir äußerst transparent und sehr präzise zukünftige Entwicklungsrisiken in großen Softwareprojekten identifizieren. Dieses Verständnis nutzen wir bei der Continental Business Consulting, um Verbesserungsmaßnahmen einzuleiten, die sich unmittelbar auf die Performance der Projekte auswirken, so dass wir letztlich die Marktposition unserer Auftraggeber stärken können.
Entscheider kompakt: Dankeschön für Ihre Offenheit im Interview. Das hat viel Spaß gemacht. Wir wünschen Ihnen nun bei ihrem Auftritt auf dem DIGITAL FUTUREcongress viel Erfolg und hoffentlich auch viel Gehör!