Im Interview mit Baddý Sonja Breidert, CEO von 1xINTERNET GmbH
Die Digitalagentur 1xINTERNET besteht aus einem 35-köpfigen Mitarbeiterteam und bietet seit 2011 modernste webbasierte Softwarelösungen an. Dabei kommt das Content Management System (CMS) Drupal/ACQUIA zum einsatz. Die Lösungen des Unternehmens werden sowohl im Bereich Marketing und Publishing eingesetzt als auch für E-Business-Anwendungen oder tief integrierte Portallösungen. In den Entwicklung kommen UX-/Designer, Entwickler, Projektmanager und Online-Marketing Experten zum Einsatz, um auf der Skalierungsplattform ACQUIA anspruchsvolle Lösungen im Bereich Personalisierung, Omnichannel-Marketing, Marketing-Automation, Digital-Asset-Management zu erstellen, und diese in beliebige Infrastrukturen zu einzubinden. Im Interview mit Baddý Sonja Breidert, CEO von 1xINTERNET GmbH sprechen wir heute über die Bedeutung von Digital-Agenturen, Personalisierung sowie die Vorteile von Open-Source Web Content Management Systemen.
Entscheider kompakt: Viele mittelständische Unternehmen versuchen die Digitalisierung ihrer Prozesse insbesondere auch der Kundenbereiche alleine zu digitalisieren. Ist das vielleicht ein Grund warum die Digitalisierung in Deutschland so langsam vorankommen?
Baddy Sonja Breidert: Kleine und mittelständische Unternehmen verfügen normalerweise nicht über die erforderlichen internen Fähigkeiten, um eine digitale Transformation erfolgreich durchzuführen. Selbst wenn sie über die Ressourcen verfügen, sind diese normalerweise sehr gefragt im Unternehmen und haben nicht die Zeit, die Dinge tatsächlich in Gang zu setzen. Solange die Digitalisierung nicht zur Priorität wird, bleiben die Dinge gleich.
Entscheider kompakt: Welche Rolle spielen Digitalagenturen bei der Digitalisierung im Unternehmen?
Baddy Sonja Breidert: Digitale Agenturen unterstützen den gesamten Prozess, von der Definition der digitalen Strategie zusammen mit dem Unternehmen über die Erstellung und Gestaltung der Lösung bis hin zur Messung der Ergebnisse. Oft entscheiden sich Unternehmen zuerst für eine technische Lösung und überlegen dann, wie die Lösung genau verwendet werden soll, und wie die Einführung umgesetzt werden kann. Wir haben häufiger gesehen, dass Unternehmen teure Softwarelizenzen kaufen, um z.B. agile Prozesse einzuführen. Die Lizenz ist schnell gekauft und neue Software schnell installiert. Aber wenn die Kollegen, die mit der Software arbeiten sollen, nicht mitziehen, führen solche Projekte zu Frustration und unnötigen Kosten. Ähnliches sehen wir auch im Marketing. Technisch ist es heutzutage Standard, dass Inhalte personalisiert auf der Webseite, auf allen Social-Media-Präsenzen und sonstigen Kanälen eines Unternehmens ausgespielt werden. Damit das funktioniert, müssen die Inhalte in der Produktion darauf ausgelegt werden, die Mitarbeiter müssen mit den Tools arbeiten können, und eine funktionierende Erfolgsmessung muss implementiert werden. Auch hierfür lässt sich geeignete Software relativ einfach installieren. Die eigentliche Herausforderung ist aber wieder die erfolgreiche Einführung.
Entscheider kompakt: Was ist die größte Herausforderung für Unternehmen in der Zusammenarbeit mit Digitalenagenturen, die massiv in die Prozesse innerhalb der Unternehmen eingreifen müssen, um wirklich herausragende Produkte zu entwickeln?
Baddy Sonja Breidert: Unternehmen müssen akzeptieren, dass sie sich ändern müssen, und dass diese Änderung gut für die Menschen und für das Unternehmen sind. Wenn wir das Buy-in der Entscheidungsträger und Influencer im Unternehmen nicht bekommen, wird unsere Arbeit sehr viel schwieriger. Innerhalb der Unternehmen muss nach den Personen gesucht werden, deren Aufgaben am meisten von neuen Technologien beeinflusst werden. Unter diesen Personen müssen die wichtigsten einbezogen werden, um die anstehenden Änderungen bestmöglich an die Teams kommunizieren zu können. Es ist sehr wichtig, die Angst davor verringern, dass Technologie Arbeitsplätze wegnimmt oder die Arbeit erschwert. Statt dessen sollen Prozesse optimiert werden, so dass wichtige Arbeiten leichter umgesetzt werden können.
Entscheider kompakt: Das Thema Personalisierung in der Kundenbeziehung und im Bereich Marketing hat in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Ist diese Nachricht schon bei ihren Kunden angekommen? Wie gestalten sie normalerweise den Beginn ihrer Projekte?
Baddy Sonja Breidert: In einem traditioneller Verkaufsprozess interagiert ein Verkäufe oder Berater mit dem Kunden, bevor er ihm konkrete Produkte oder Lösungen empfiehlt. Zum Beispiel werden Fragen zur geplanten Verwendung oder zu den Hintergründen gestellt, um das tatsächliche Bedürfnis der Kunden zu verstehen. Genau so funktioniert Personalisierung von Webseiten. Bei der Anzeige werden Inhalte bevorzugt ausgespielt, für die sich der Kunde nachweislich interessiert. Da ein Kunde immer über eine Suchmaschine oder eine Anzeigen-Kampagne auf eine Themenseite geleitet wird, kann er von Anfang an einem Kundensegment zugeordnet werden. Je mehr der Kunde mit der Webseite interagiert, desto besser kann die Segmentzugehörigkeit verfeinert werden. Auf Grundlage der Segmentzugehörigkeit können dann bevorzugt passende Inhalte angezeigt werden.
Im Unterschied dazu zeigen Webseiten ohne Personalisierung allen Besuchern die selben Inhalte an. Das bedeutet, dass der Betreiber entscheiden muss, welche Inhalte weiter oben, weiter unten und welche nur über die Navigation oder die Suche angezeigt werden. In den letzten Jahren hat sich die Personalisierung von Inhalten zu einem Standard entwickelt. Unsere Kunden haben das verstanden und arbeiten eng mit uns zusammen, um ihren Kunden die bestmöglichen Nutzung ihrer Webseiten zu ermöglichen. Für die Umsetzung einer Personalisierungsstrategie brauchen Unternehmen normalerweise viel Hilfe. Wir beginnen solche Projekte immer mit einem Kickoff, in dem Geschäftsziele des Projekts definiert, Risikofaktoren analysiert und alle wichtigen Stakeholder in das Thema eingeführt werden. Nach dem Kickoff unterstützen wir die Unternehmen bei der Erstellung der Content-Strategie für die Personalisierung. Hierbei werden die User-Journeys erfasst und die Kundensegmente spezifiziert. Passend dazu muss der Inhalt erzeugt werden, der auf der Webseite in personalisierter Form zur Anzeige kommt. Erst wenn die Geschäftsziele, die geplante Ziele der Webseite, die Content-Strategie und die Erfolgsmessung definiert sind, kann mit der Programmierung der Personalisierungslösung begonnen werden.
Entscheider kompakt: Für die Entwicklung ihrer Plattformen nutzen Sie DRUPAL als Open-Source Web Content Management System. Was zeichnet dieses System im Vergleich zu anderen Systemen aus?
Baddy Sonja Breidert: Drupal/ACQUIA wird von wichtigsten Marktforschungsunternehmen wie z.B. Forrester und Gartner als eines der wenigen führenden Web-Content-Management Systemen anerkannt. Drupal kann aber noch viel mehr. Aufgrund der Flexibilität und der offenen Standards, kann es als Rückgrat aller digitalen Präsenzen eines Unternehmens eingesetzt werden. Zum Beispiel kann Drupal auf Grund des API-First-Ansatzes als Datenlieferant für beliebige andere Systeme verwendet werden. Dieselben Inhalte können auf der Webseite, auf den Social-Media-Präsenzen, mobilen Apps oder für gänzlich andere Systeme ausgespielt werden. Genauso verhält es sich auf der Inputseite. Daten können aus beliebigen System übernommen und für die Weiterverarbeitung aufbereitet werden. Beispiele hierfür sind Produktimporte für E-Business-Lösungen oder Kundendaten aus CRM-Systemen für Portallösungen.
Entscheider kompakt: Gerade größerer und mittelständische Unternehmen haben die Befürchtung, mit Open-Source Web Content Management Systemen irgendwann vielleicht nicht mehr den richtigen Service oder Updates zu erhalten. Hier greift man dann zum Beispiel eher auf ein teures SAP System zurück. Was spricht ihrer Meinung nach grundsätzlich für den Einsatz eines Open-Source Web Content Management Systems?
Baddy Sonja Breidert: Open-Source entwickelt sich zum Standard in der Softwareentwicklung. Die Veröffentlichung als Open-Source bedeutet, dass andere Unternehmen eine Software verwenden und weiterentwickeln dürfen. Dadurch entstehen Skaleneffekte, weil sinnvolle Erweiterungen anderer Unternehmen wiederum in das Kernprodukt zurückfliessen. Die grössten und wichtigsten Unternehmen in der Softwarebranche haben das erkannt und stellen auf Open-Source um. Android, das beliebteste mobile Betriebssystem von Google, ist Open-Source. Facebook hat seine Kerntechnologie React als Open-Source veröffentlicht. Microsoft veröffentlicht ebenfalls Kerntechnologien als Open-Source und setzt Open-Source Technologien anderer Anbieter ein. Auch Handelsunternehmen und Banken wie Walmart und JP Morgan Chase haben sich nicht nur für Open-Source entschieden, sondern veröffentlichen auch selber Open-Source-Software. Man kann diesen Trend auch anhand der große Akquisitionen in den letzten Monaten und Jahren beobachten. Die prominentesten Akquisitionen der letzten Jahre sind mit Microsoft / Github, IBM / Red Hat, Salesforce / Mulesoft und Adobe / Magento. In Bezug auf die Nachhaltigkeit von Open-Source Software existiert kein Unterschied zu proprietärer Software. Unabhängig von der Lizenz kann die Weiterentwicklung eingestellt werden. Die Gefahr ist bei Open-Source Software allerdings geringer, weil mehr Unternehmen an der Entwicklung beteiligt sind. Weiterhin kann ein Unternehmen, dass Open-Source Software einsetzt, diese auch selber weiterentwickeln. Das geht bei proprietärer Software nicht. Wir setzen für die Webentwicklung Drupal ein. Die Software gibt es seit dem Jahr 2000 und wird von einer riesige Zahl von Unternehmen eingesetzt. Insbesondere im Enterprise-Umfeld und bei großen Organisationen setzt sich Drupal immer mehr durch. Auf die Frage ob Drupal langfristig supported wird, kann ich sicher sagen, dass aufgrund der hohen Marktdurchdringung ein sehr langer Supportzeitraum zu erwarten ist.
Entscheider kompakt: Sie sind mit vielen Unternehmen im Gespräch. Um Digitalisierung wirklich erfolgreich im Unternehmen einzuführen, bedarf es einer Digitalstrategie. Welche Empfehlung würden Sie unseren Lesern hier an die Hand geben?
Baddy Sonja Breidert: Nehmen Sie Kontakt mit Experten auf, die sie beraten und bei der Umsetzung unterstützen können. Ich empfehle auch, bevorzugt mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die bereits Erfolge bei Digitalisierungsprojekten erzielt haben. Die Digitalisierung eines Geschäftsprozesses ist ein komplexer Vorgang. Neben Planung und technischer Implementierung muss auch die Einführung und Weiterentwicklung von Vornherein mitbedacht und umsetzbar sein. Zuletzt möchte ich noch mitgeben, dass Unternehmen nicht versuchen sollten, alles auf Einmal zu tun. Gehen Sie stattdessen Schritt für Schritt vor. Auf diese Weise können sie schneller Erfolge erzielen, und die grossen Erfolge stellen sich von ganz alleine ein.
Entscheider kompakt: Herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch und viel Erfolg auf dem nächsten DIGITAL FUTUREcongress.