Digitalisierung in Deutschland, ein Trauerspiel

Digitalisierung in Deutschland, ein Trauerspiel

Digitalisierung in Deutschland, ein Trauerspiel - Deutschland befindet sich auf dem drittletzten Platz im G20-Vergleich*. Im Interview mit Marco Weigel, CSO der Objektkultur Software GmbH.

“Obwohl die digitale Transformation zum Teil durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie katalysiert wurde, offenbart der Digitalreport 2022 des European Center for Digital Competitiveness nichts Gutes: Auch 2022 sehen 94 Prozent der Führenden aus Wirtschaft und Politik Deutschland unverändert im Rückstand”. Die Ergebnisse des TechMinds-Report über Digitalisierungsbestrebungen in der deutschen Wirtschaft zeigen aktuell ein eher ernüchterndes Bild. Zu diesem Hintergrund sprechen wir mit Marco Weigel, CSO von Objektkultur und ein Fachmann der Branche, der zudem einen guten Marktüberblick über entsprechende Technologien hierzulande hat.

Die Objektkultur Software GmbH mit Sitz in Karlsruhe sowie weiteren Standorten in Bonn und Freiburg modernisiert und digitalisiert seit 2004 Geschäftsprozesse, Services und Anwendungen rund um das jeweilige Kerngeschäft ihrer Kundinnen und Kunden. Dabei bietet sie innovative, individuelle Software-Lösungen, von der Beratung über die Entwicklung bis hin zum Betrieb und Support. Schwerpunktmäßig zu den Themen CRM & Customer Experience, ERP, Cloud Integration, AI & Analytics, Cloud Security sowie Automation - und das branchenübergreifend.

DIGITAL FUTUREmag: Herr Weigel, beim G20-Vergleich Digitalisierung schneidet Deutschland besonders schlecht ab. Hinter uns liegen nur noch Japan und Indien. Selbst Mexiko ist schon deutlich weiter. Glauben Sie, dass Digitalisierung eine Kulturfrage ist? Und was genau im nach wie vor hoch angesehenen deutschen Mittelstand hindert uns daran, das Thema wirklich ernst zu nehmen?

Marco Weigel: Das betrifft nicht nur den Mittelstand. Wenn wir diesbezüglich an die Schulpolitik denken, dann sieht es da mindestens genauso düster aus, wenn nicht deutlich schlimmer. Das zieht sich in vielen Bereichen so durch. Es scheint tatsächlich kulturbedingt zu sein. Der hochgelobte deutsche Mittelstand ist möglicherweise auch durch den Erfolg verwöhnt und bequem geworden. Ich halte es aber für bedrohlich, sich mit dem Status quo zufrieden zu geben. Rechtfertigungen helfen nicht. Zögerlichkeit auch nicht. Champion werden ist schwer, Champion bleiben ist noch schwerer. Es muss hier einfach mehr passieren!
Die Pandemie hat uns gezeigt, dass viele Unternehmen und auch der öffentliche Sektor erst zu Anfang oder im Laufe des Infektionsgeschehens begonnen haben, sich mit den Möglichkeiten für Homeoffice bzw. Remote-Arbeitsformen, also von überall und zu jeder Zeit, zu beschäftigen. Es wurden Notebooks, Mobiltelefone, VPN-Verbindungen, Videokonferenz-Software, Cloud-Speicher etc. angeschafft und bereitgestellt. Das hat man als Digitalisierung verstanden und verkauft. Nach unserem Selbstverständnis bei Objektkultur als Software-Dienstleister ist das lediglich die Basis für Digitalisierung. Digitalisierung geht nämlich erst dann richtig los, wenn Anwendungen modernisiert, Prozesse digital optimiert oder sogar ganze Geschäftsmodelle transformiert werden. Das sehen wir als Digitalisierung und da muss massiv was passieren, um international Schritt halten zu können.

DIGITAL FUTUREmag: In zahlreichen Fachartikeln kann man lesen, dass das fehlende Risikokapital in Deutschland ein Grund ist, warum kaum in Start-ups investiert wird. Dies sei wiederum ein Indiz für fehlendes unternehmerisches Risiko und die damit zusammenhängende Zurückhaltung bei der Digitalisierung. Was denken Sie?

Marco Weigel: Ich glaube, in Deutschland wird sehr gerne in Immobilien investiert und vor wenigen Jahren war auch das Sparbuch eine beliebte Anlage. In Skandinavien und den angelsächsischen Ländern ist die Zahl der Menschen, die in Aktien oder Fonds und somit in Unternehmen investieren, deutlich höher als bei uns. Was die Start-up-Investitionen angeht, dann ist das sicherlich ein weiteres Indiz für das typisch deutsche „auf Nummer sicher gehen“. Ich stelle es mir schwierig vor, als junger Firmengründer mit einer Idee zu einer Bank zu gehen und dort nach Kapital zu fragen. Da dürfen Menschen aus dem privaten Umfeld wahrscheinlich als Bürge auftreten und das Eigenheim als Sicherheit hinterlegen. Aber wie gesagt, es ist nur ein weiterer Anhaltspunkt für Kultur- und Psychologiefragen. Fehlende Technologie-Profis, die bei der Digitalisierung unterstützen können, sind aus meiner Sicht weniger das Problem als die Bereitschaft, als Entscheiderin oder Entscheider in der eigenen Firma Dinge zu verändern.

DIGITAL FUTUREmag: In zahlreichen Projekten, die Ihr Unternehmen über die letzten Jahre durchgeführt hat, haben Sie sicher auch eine eigene Empfehlung für die Unternehmerschaft hierzulande. Wie sieht diese ganz konkret aus?

Marco Weigel: Mutig sein und mit Vollgas das Thema Digitalisierung angehen. Ganz wichtig: Ganzheitlich! Das ist meine dringlichste Empfehlung. Ich halte nichts davon, Lücken zu stopfen, weil es hier mal einen Webshop braucht, da ein Belegerfassungstool oder dort eine neue Zeiterfassung. Das alles muss einer zentralen Strategie folgen, die im Top-Management eines Unternehmens aufgehängt ist. Cloud, AI, Modernisierung, Prozess- und Geschäftstransformation: Alles wichtige Themen, aber bitte mit einer zentralen Strategie.

DIGITAL FUTUREmag: Für viele Firmen ist insbesondere das Zusammenspiel zwischen CRM- und ERP-Systemen essenziell. Sehen Sie das auch so und an welcher Stellschraube würden Sie dabei zuerst drehen?

Marco Weigel: Passend zu meiner letzten Antwort sollte man nicht zuerst an einer Stellschraube drehen, sondern das Thema ganzheitlich betrachten. Prozesse müssen End-2-End gedacht, geplant und umgesetzt werden. Über mehrere Systeme und vielleicht auch mehrere Environments hinweg (Multi-Cloud). Man bricht die Prozesse auf die Systeme herunter.
Das Thema Integration spielt dabei eine ganz wichtige Rolle. Manche Anwendungen bzw. Systeme lassen sich out-of-the-box sehr gut miteinander vernetzen, andere nicht. Eine Direktkommunikation zwischen Anwendungen ist aus meiner Sicht auch wieder zu kurz gedacht. Man sollte hier eher Fähigkeiten (Capabilities) bei der Integration in den Mittelpunkt stellen. Sie sollten sich darüber bewusst sein, welches System welche Fähigkeit besitzt oder dafür verantwortlich ist, so dass andere am Prozess beteiligte Systeme diese Fähigkeit konsumieren können.

DIGITAL FUTUREmag: In Ihrem Portfolio bieten Sie auch die Integration von Microsoft Dynamics 365 an - ein erfolgreiches Cloud-System. Was sind Ihre Erfahrungen, wie kann man sich eine entsprechende Einbettung in bestehende Systemlandschaften vorstellen?

Marco Weigel: Microsoft Dynamics 365 umfasst diverse Module, wie beispielsweise Sales, Marketing, Service, ERP und hat als Grundlage unterschiedliche darunterliegende Technologie bzw. Produkte, die sich mehr und mehr nicht nur an der Oberfläche angleichen. Von Haus aus bringt Microsoft Dynamics 365 schon einiges für die Integration mit. Dataverse ist hierbei das zentrale Element für eine gemeinsame Datenbasis über die Module hinweg. Dual Write wird für eine Integration zwischen ERP und CRM genutzt. Darüber hinaus finden wir oft Landschaften vor, in denen andere CRM- oder ERP-Systeme im Einsatz sind. Hier liefern uns die Integrationsdienste von Microsoft Azure den perfekten Werkzeugkasten, um jede noch so individuelle Integration zu ermöglichen. Um ein paar zu nennen: die Azure Logic Apps für den automatisierten Cloud-Zugriff und die cloud-übergreifende Nutzung von Daten, den Azure Service Bus für die Verbindung zwischen privaten und öffentlichen Cloud-Umgebungen sowie den Azure Event Grid für die zuverlässige Ereigniszustellung. Der renommierte Marktforscher Gartner hat Microsoft 2021 hier auch als Leader im Bereich Enterprise Integration Platform as a Service ausgezeichnet.

DIGITAL FUTUREmag: Die Objektkultur ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Was ist Ihrer Meinung nach der Hauptgrund dafür und wie sehen die Zukunftsaussichten Ihres Business aus?

Marco Weigel: Wir haben sicherlich die sehr gute Entscheidung getroffen, uns kompromisslos der Transformation und Innovation zu verschreiben. Die Verwaltung des Mangels und alter Systeme ist für uns ausgeschlossen. Ich kann hier nicht unerwähnt lassen, dass vor allem auch unsere HR-Abteilung unglaublich gute Arbeit gemacht hat. Wir haben es geschafft, kontinuierlich sehr gute Fachkräfte in einem hart umkämpften Markt zu gewinnen und zu sichern. Unsere Kultur spielt da eine große Rolle. Deshalb setzen wir auch weiterhin auf diese beiden Komponenten, um das Wachstum nachhaltig zu sichern. Wir sehen uns für die Zukunft sehr gut aufgestellt und freuen uns auf die Aufgaben, die vor uns liegen.

DIGITAL FUTUREmag: Das klingt spannend und wir freuen uns schon auf ein nächstes Gespräch.


dfmag11 kontakt objektkultur


 

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