Im Interview mit Marc Fischer, Vorstandsvorsitzender und CEO der mergedmedia AG
Wer kennt sie nicht, die Geschichten, in denen Zauberer oder sonstige Fabelwesen in einer Glaskugel die Zukunft erkennen? Was aber, wenn Digitalisierung, Big Data und Künstliche Intelligenz (KI) plötzlich eine Glaskugel hervorbringen und somit tatsächlich eine digitale Marktforschung auf Knopfdruck ermöglichen? Denn eines ist klar. Wer das Wissen um den Bedarf der Menschen hat, besitzt einen riesigen Vorsprung und damit die Grundvoraussetzung für eine wirklich erfolgreiche Digitalisierung von Marketing und Vertrieb. In den vergangenen Ausgaben haben wir schon einiges über künstliche Intelligenz, Big Data und deren Anwendungen erfahren. Die Antworten von Marc Fischer, Vorstandsvorsitzender und CEO der mergedmedia AG haben uns in der Redaktion allerdings mehr als verblüfft. In diesem spannenden Interview erfahren Sie mehr über den Einsatz von KI im Bereich der Markt-Bedarfs-Analyse, belastbare Vorhersagen von zukünftigem Verbraucherverhalten und einem unterstützten Content-Marketing für erfolgreiche Marketing- und Vertriebsstrategien. Wir versprechen nicht zu viel, wenn wir in diesem Interview ein Stück Future erleben.
DIGITAL FUTUREmag: Herr Fischer, Ihr Unternehmen entwickelt seit mehr als 15 Jahren Onlineshops für den B2B und den B2C Bereich. Sie selbst betreiben mehr als 20 eigene Onlineshops. Wie kamen Sie auf die Idee, eine Software zu entwickeln, die sich mit echten Vorhersagen beschäftigt?
Marc Fischer: E-Commerce ist leider nicht mehr so einfach wie vor 15 Jahren! Der Wettbewerb ist riesig. In nahezu jedem Produkt- & Themensegment gibt es bereits gut aufgestellte Webseiten und Shops. Wir müssen also „Trüffelstücke“ finden, um erfolgreich zu sein. Genau dafür haben wir ursprünglich nur für uns intern „praidict“ entwickelt. Die Ergebnisse waren so spannend und unser Budget für neue Onlineshops und Produkte begrenzt, so dass wir die Software jetzt seit einem Jahr auch an Unternehmen mittels Software as a Service (SaaS) anbieten. Das kommt prima an.
DIGITAL FUTUREmag: In der Ankündigung haben wir viel versprochen. Was ist in wenigen Worten der eigentliche USP Ihres Produkts „praidict“?
Marc Fischer: Stellen Sie sich vor, Sie können über jedes Produkt, jede Produktidee oder Thema das Wissen erlangen, welchen genauen Bedarf es dazu gibt. 48 Monate rückwirkend die Saisonalität einfach einsehen und den Trend der nächsten 12-24 Monate auf Monatsbasis vorhersagen. Dabei die genaue Motivation der Zielgruppe erfassen und lernen, was wirklich die markttreibenden Gründe für den Erfolg oder auch Misserfolg sind. Das Ganze sowohl regional als auch weltweit differenziert. Sind zwar ein paar mehr Worte… aber das kann es.
DIGITAL FUTUREmag: Ihre Referenzliste liest sich wie ein „Who is Who“ der großen Markennamen. Lässt sich Ihre Software für alle Produktbereiche anwenden oder gibt es technische Grenzen aufgrund einer zu geringen Datenbasis?
Marc Fischer: Genau das war für uns selbst in der Entwicklung die große Frage. Da wir auch B2B Onlineshops betreiben und erfahrungsgemäß die Nachfrage im B2B geringer ist als im B2C (dafür aber der Warenkorb oder die Frequenz oftmals höher), hofften wir darauf, auch in diesem Segment verlässliche Daten zu erhalten. Und ja, es funktioniert. Alleine wir haben daraufhin drei weitere B2B Onlineshops eröffnet, weil wir eben auch da Trüffelstücke, Strategien und einfach erfolgreiche Ableitungen treffen können. Es gibt also keine Einschränkungen - selbst in den engsten Nischen haben wir Daten.
DIGITAL FUTUREmag: Welche Einsatzbereiche lassen sich mit Ihrem Tool analysieren und Vorhersagen treffen?
Marc Fischer: Wir können praktisch alle notwendigen Einsatzbereiche innerhalb eines Unternehmens abdecken. Das reicht von Trend-Scouting, Überarbeitung des regionalen Assortments oder Einkauf- und Sortimentspolitik, der Produkt- und Eigenmarkenentwicklung, Optimierung von Serviceleistungen, natürlich Marketing und Sales bis hin zu Business-Jahresplanung und Frühwarnsystemen.
DIGITAL FUTUREmag: Woher nehmen Sie Ihre Daten, die dem System schließlich dazu dienen, nicht nur die Bedarfe und das Verbraucherverhalten in der Vergangenheit zu analysieren, sondern damit auch in die Zukunft zu schauen?
Marc Fischer: Wir greifen auf alle online verfügbaren Datenquellen zu und können diese sowohl mit Drittdaten, wie Kaufkraft, Wirtschaftsdaten und sogar dem Wetter korrelieren lassen. Extrem spannend wird das Aufdecken von Zusammenhängen zwischen unseren praidict-Markt- Bedarfs-Daten und internen Daten, wie Umsatz- und Absatzzahlen, aber auch Kündigungen von Verträgen etc. Das ergibt sehr hilfreiche Erkenntnisse für die Unternehmen, um sowohl strategisch als auch operativ davon zu profitieren. Alle Daten werden fortlaufend analysiert und in das System geladen. So ergibt sich ein permanenter Abgleich zwischen dem durch „Künstliche Intelligenz“ prognostizierten Bedarf und dem tatsächlich Eintretenden. Dieser permanente Abgleich der Daten macht praidict immer besser.
DIGITAL FUTUREmag: Die Software ist sicher nicht ganz trivial. Können Sie uns dennoch kurz erklären, wie sie funktioniert und wie die einzelnen Datenquellen ihren Beitrag zum Ergebnis leisten?
Marc Fischer: Alle verfügbaren Daten werden ausgehend von einem sogenannten „Seed Keyword“ aus allen relevanten Quellen generiert und in unsere Software geladen. Dort liegen Billionen von Daten, die für Menschen verständlich, nach sogenannten „Mindsets“, also dem Bedarf der Zielgruppen entsprechend, strukturiert sind. Diese können wir nun sowohl auf Produkt, Marken oder thematischen Ebenen betrachten und sogar hineinzoomen bis in die kleinste Motivation der Zielgruppe, etwas zu tun oder haben zu wollen. Alle Zusatzinformationen über den Trend, Saisonalitäten, Zukunftsentwicklung, Kanal, in dem sich die Zielgruppe aufhält, regionale Unterschiede im Bedarf, Wettbewerber, die sich bereits in diesen Märkten tummeln und wie hoch deren Marktanteil ist, bis hin zum „Sales Funnel“, also dem Wissen darüber, mit welchen Mindsets ich welche Zielgruppe zur richtigen Zeit in welchem Status erreiche, nach der klassischen AIDA-Formel (Attention, Interest, Desire, Action) helfen mir, das Richtige zu tun. Alle Daten leisten dazu ihren Beitrag, da sie einzeln betrachtet kaum etwas wert sind, in Summe und in den jeweiligen Zusammenhängen sind sie aber Gold wert!
DIGITAL FUTUREmag: Welche Fragen lassen sich mit Ihrem Werkzeug beantworten und welche Treffsicherheit erreichen Sie für gewöhnlich?
Marc Fischer: In der Regel sind wir in der Lage, eine Nachfrage-Entwicklung von Produkten, Marken und Themen bis zu 24 Monate vorauszusagen. Das ganze weltweit, in jedem Land, mit einer Genauigkeit von ca. 96%. Unsere KundInnen sind somit in der Lage, unmittelbar den konkreten Bedarf ihrer Zielgruppe an Produkten, Services, Marken etc. zu erfassen. Wichtig ist dabei, zu verstehen, dass unsere KundInnen damit in der Lage sind, Korrelationen zwischen Produkten, Services, Marken und Themen zu erhalten und damit einen Wissensvorsprung zu erarbeiten und tatsächliche Markttreiber zu erkennen. Das ist für sie wichtig, um sich strategisch besser zu platzieren und operativ die richtigen Maßnahmen abzuleiten.
DIGITAL FUTUREmag: Hier haben wir also tatsächlich die Glaskugel, die wir eingangs versprochen haben! Das klingt wirklich spannend. Das Marketing möchte ja gerne wissen, wer, was, wann, an welchem Ort kaufen möchte. Bedeutet dies, dass man bereits im Vorfeld den entsprechenden Kommunikationskanal für einen maximalen Verkaufserfolg wählen kann?
Marc Fischer: Genauso ist es. Die Vorhersagen sind mittlerweile so präzise, dass man quasi mit minimalem Einsatz Maximales herausholt. Dieser Wissensvorsprung gegenüber dem Wettbewerb führt dazu, u.a. im umkämpften Retail-ECommerce immer zwei bis drei Schritte voraus zu sein. Hersteller nutzen praidict, um die tatsächliche Zielgruppe besser zu verstehen und ihre Marketingmaßnahmen so auszurichten, dass die Zielgruppe ihre Produkte haben will! So macht man heute wieder Marke! Das hilft den großen etablierten Unternehmen dabei, auch die jüngere Zielgruppe wieder zu erreichen und den neuen Marken, sich viel besser zu positionieren, vorbei an den Dinosauriern…
DIGITAL FUTUREmag: Wenn KundInnen Ihre Software und die damit verbundenen Informationen richtig verarbeiten, was ist in letzter Konsequenz der entscheidende Vorteil?
Marc Fischer: Unsere KundInnen sind mit dem Einsatz unserer Software in der Lage, das Werbebudget deutlich effizienter und effektiver einzusetzen und dadurch konkrete Handlungsempfehlungen, zum Beispiel für Social Media, Performance, organische und klassische Marketing Kampagnen abzuleiten und zu steuern. Durch den Einsatz richtiger Affiliates in den jeweiligen Themengebieten können sie den Abverkauf natürlich deutlich steigern. Durch die Ermittlung aller relevanten MarktteilnehmerInnen und ihre Relevanz in den spezifischen Segmenten erhalten sie belastbare Wettbewerbsanalysen. Das ist ein großer Vorteil. Und schließlich können sie als Hersteller oder Lieferant von Produkten oder Services zum idealen Zeitpunkt die richtigen Kampagnen mit einer höchst möglichen Erfolgswahrscheinlichkeit über den richtigen Kanal aufsetzen und damit die Abverkaufszahlen deutlich steigern. Das sind jetzt „nur“ die Beispiele für Marketing & Sales. Für Produkt-Entwicklung, Category Management, Business- Development, Risiko-Analysen, Digital-Strategien etc. ergeben sich jeweils auch viele Perspektiven. Immer auf der Basis, was meine Zielgruppe wirklich will und darum geht es ja!
DIGITAL FUTUREmag: Eine abschließende Frage zum Projektverlauf: Welche Informationen müssen die KundInnen bereitstellen, damit sie ein Projekt mit Ihnen starten können?
Marc Fischer: Das ist das Coole an der Sache: Wir brauchen von unseren KundInnen lediglich die Information, um welches Thema es sich in welchem Land handeln soll. Den Rest macht praidict. Wir brauchen also keinen Zugang zu Kundensystemen. So können wir sofort starten!
DIGITAL FUTUREmag: Das klingt einfach machbar. Ab welchem Budget kann man mit Ihnen gemeinsam in die Glaskugel schauen?
Marc Fischer: Praidict arbeitet auf Basis von Daten. Entscheidend ist die Menge der zu verarbeitenden Daten. Das ist in einem Startup mit 3-5 Produkten oder Leistungen ein deutlich geringerer Umfang als bei einem Retailer mit 80.000 Produkten. Die Datenmenge entscheidet über den Preis. So geht es bereits ab 1.000 Euro mit klaren Ergebnissen und „praidictions“ los…
DIGITAL FUTUREmag: Ich denke, dass Ihre Lösung für viele Unternehmen eine spannende und sehr informative Möglichkeit ist, Digitalisierung in Marketing und Vertrieb effektiv umzusetzen. Ganz herzlichen Dank für dieses wertvolle Gespräch.
Marc Fischer: Ich danke!