Digitalisierung macht auch vor der Beschaffung nicht halt - Forecasting und Kapazitätsmanagement in stürmischen Zeiten

Digitalisierung macht auch vor der Beschaffung nicht halt - Forecasting und Kapazitätsmanagement in stürmischen Zeiten

Im Interview mit Michael Rösch, Senior Vice President Global Professional Services bei JAGGAER

Die Beschaffung von Rohstoffen oder Komponenten, die für jegliche Art von Produkten oder Dienstleistungen immer häufiger über so genannte “Source to Pay Systeme” abgewickelt wird, gewinnt von Jahr zu Jahr an Bedeutung. Viele Unternehmen, gerade auch im Mittelstand, sind mittlerweile dazu übergegangen, Lieferanten über S2P-Systeme zu bezahlen. JAGGAER hat sich auf diesem Gebiet in den letzten Jahren einen guten Namen gemacht und ist als unabhängiges Source-to-Pay-Unternehmen für viele Ein- und VerkäuferInnen durch ein globales Netzwerk mit Niederlassungen in Nord- und Südamerika, APAC, Asien und EMEA unverzichtbar geworden. Das Unternehmen entwickelt und bietet umfangreiche SaaS-basierte Beschaffungslösungen, die den gesamten Source-to-Settle-Prozess umfassen, einschließlich Spend Management, Category Management, Lieferantenmanagement, Sourcing, Vertragsmanagement, eProcurement, Rechnungsabwicklung, Supply Chain Management und Bestandsmanagement. Diese Kernprozesse des Einkaufs sind alle auf einer einzigen Plattform, JAGGAER ONE, angesiedelt. Aufgrund der aktuellen weltweiten Lieferengpässe sprechen wir daher mit Michael Rösch, Senior Vice President Global Professional Services bei JAGGAER über Störungen in den Lieferketten, strategisches Lieferantenmanagement, Forecasting und Kapazitätsmanagement.


DIGITAL FUTUREmag: Herr Rösch, im Moment zeichnet sich am Markt in fast allen Bereichen eine extreme Lieferverzögerung ab. Das reicht von Kunststoffen für Steckdosen bis hin zu Computer-Chips. Was ist Ihrer Meinung nach hierfür der Grund?

Michael Rösch: Das ist das Resultat aus dem Zusammenspiel von mehreren Faktoren. Einerseits hat die Corona-Pandemie zur Schließung von Fabriken geführt, was den Rohstoff-Lieferanten bis hin zum Hersteller des finalen Produkts betrifft. Andererseits liegt das Problem an den menschlichen Ressourcen, denn viele MitarbeiterInnen verschiedener Lieferanten entlang der Lieferkette sind in Kurzarbeit geschickt worden oder sind es immer noch. Diese Entwicklungen führten auch zu strategischen Änderungen bei vielen Herstellern, sodass man auf die lokalen Lieferanten sowie mehr Nachhaltigkeit setzt, um das Risiko für die Zukunft zu verringern. Dazu kommen die Störungen in den Lieferketten, die auch unabhängig von der Pandemie passieren, wie zum Beispiel der Vorfall im Suezkanal. Diese Entwicklungen haben zu einem Domino-Effekt geführt, der global mit Lieferverzögerungen in allen Branchen und Unternehmensgrößen einher ging.

DIGITAL FUTUREmag: JAGGAER leistet seit mehr als 25 Jahren Pionierarbeit im Bereich von Spend-Management-Lösungen. Was treibt Sie persönlich an?

Michael Rösch: Ich habe bereits mein ganzes Leben versucht, Dinge zu optimieren. Das hat in der Schule sowie auf der Uni mit Aufwand versus Noten begonnen und sich dann auch in meinem beruflichen Alltag fortgesetzt. Mir macht es jeden Tag aufs Neue Spaß, mit KundInnen und MitarbeiterInnen an Verbesserungen und Optimierungen zu arbeiten. Das treibt mich an und gibt mir eine innere Befriedigung, wenn es entsprechend gelingt und wir kontinuierliche Verbesserungen erzielen.
SaaS-Lösungen sind hier besonders effizient. Durch sehr kurze Implementierungszeiten können KundInnen den Vorteil einer Best-Practice-Lösung wie JAGGAER nutzen und sehr kurzfristig Mehrwert generieren. Das ist wahrer Customer Success!

DIGITAL FUTUREmag: Wenn wir noch einmal auf die Störungen der Lieferketten zu sprechen kommen, stellt sich die Frage, wie ein S2P-System hier Abhilfe schaffen kann. Welche Vorteile bietet der Einsatz Ihres Systems?

Michael Rösch: Ich würde die Frage fast anders formulieren: Was an einer S2P-Lösung würde hier keinen Vorteil liefern. Das wäre einfacher zu beantworten. Doch nun im Ernst: Generell lassen sich 3 große Handlungsfelder benennen, die aus unserer Sicht den größten Mehrwert bringen:

  • Lieferantenmanagement
  • Category Management
  • Supply Chain Collaboration

Das Lieferantenmanagement hilft, die Daten aller Lieferanten effizient zu verwalten und mit anderen Datenquellen zu verbinden. Durch diese Verknüpfung von hausinternen Daten und externen Informationen (z. B. Risikodaten, Nachhaltigkeitsdaten, Bonitätsauskünften, Sanktionslisten, Embargolisten), entsteht sehr schnell ein unverzichtbarer Datenpool, mit dem bessere Entscheidungen getroffen werden können (z. B. reduzierte Einkaufspreise, bessere Qualität, Nachhaltigkeit). Ein noch neuer Bereich im Lieferantenmanagement stellt das Supply Chain Mapping dar. Dabei werden in kritischen Warengruppen nicht nur die direkten Lieferanten analysiert, sondern auch weitere Ebenen der Lieferkette, um schlussendlich die volle Transparenz im Risikomanagement zu erhalten.

Im Bereich Category Management lassen sich die lokalen und globalen Strategien abbilden und als Leitplanken in die eigenen Unternehmen ausrollen. Sich ändernde Strategien können so blitzschnell evaluiert, definiert und umgesetzt werden. Ohne digitale Hilfsmittel ist das nur per E-Mail und PowerPoint möglich, was de facto das Change Management deutlich verlängert und die Anwendung der neuen Strategien gefährdet.

Last, but not least ist die digitale Integration der Lieferanten im Bereich der Supply Chain ein Eckpfeiler für die effiziente Beschaffung. Die Integration der GeschäftspartnerInnen in die eigenen Prozesse ist notwendig, um in Echtzeit Entscheidungen treffen zu können und bei Bedarf Entscheidungen zu revidieren.

DIGITAL FUTUREmag: Das führt uns natürlich unweigerlich zum Thema Lieferantenmanagement. Welche Tipps haben Sie für unsere Leserinnen und Leser, die sich vielleicht erstmals mit dem Thema strategisches Lieferantenmanagement auseinandersetzen?

Michael Rösch: Lieferantenmanagement ist das Herzstück der Beschaffung. Hier ist das klare Ziel: Effizientere Prozesse für eine bessere Zusammenarbeit und Beziehung zu den Lieferanten. Warum? Nehmen wir das Beispiel Autohersteller: Noch vor 30 Jahren lag der durchschnittliche Wertbeitrag, der von Lieferanten eingebracht wurde, bei 56 %. Schon damals bestand eine gewisse Abhängigkeit. Aktuell liegt der Wertbeitrag bei rund 82 %. Das zeigt: Ein gut funktionierendes und abgestimmtes Lieferantenmanagement ist der Schlüssel für Wirtschaftlichkeit und unternehmerischen Erfolg.

Effektivität im Einkauf bezieht immer auch die Lieferanten ein. Solides Supplier Relationship Management sorgt für eine stabile Logistikkette, Planungssicherheit und innovativ involvierte Lieferanten. Der Geschäftsführung sollte die Bedeutung von ganzheitlichem Lieferantenmanagement bewusst sein. Die Führungskräfte müssen an der Auswahl der richtigen Strategien beteiligt sein, um das Lieferantenmanagement mit den Unternehmenszielen in Einklang zu bringen. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass das Beschaffungsteam mit den Technologien, PartnerInnen und MitarbeiterInnen ausgestattet ist, um diese Strategien umzusetzen.

DIGITAL FUTUREmag: Gerade jetzt, in einer Zeit, in der viele Unternehmen am eigenen Produktionsablauf spüren, wie wichtig Transparenz und Abstimmung mit Lieferanten sind, stellt sich sicher auch die Frage nach einem optimalen Forecasting und Kapazitätsmanagement. Wie unterstützt ein S2P-System das eigene Unternehmen und die Lieferanten dabei, auch in Krisenzeiten 100 % lieferfähig zu bleiben?

Michael Rösch: Wie gut die Zusammenarbeit entlang der Lieferkette auch über Krisen hinweg funktioniert, hängt von drei Schlüsselfaktoren ab: Zunächst entscheidet die Kollaboration, denn optimales Kapazitätsmanagement funktioniert nur durch gute und enge Zusammenarbeit mit den Lieferanten. Automatisierte Lieferkettenprozesse laufen stark kollaborativ zwischen Kunden, Lieferanten und Drittanbietern ab. Weiters ist der Digitalisierungsgrad ausschlaggebend und ob dadurch ein durchgängiger elektronischer Dokumenten- und Datenaustausch zwischen Einkäufern und Lieferanten von der Bestellung bis zur Rechnung funktioniert. Und zuletzt zählt eine nahtlose Integration in Standard- oder kundenindividuellen Systemumgebungen, angereichert mit 3rd Party Services und künstlicher Intelligenz als Schlüsselfaktor für die Steigerung der On-Time-Delivery, Minimierung der Fehlerquote und Verbesserung des Qualitätsmanagements sowie die Einsparung von Prozesskosten, Ressourcen, etc.

DIGITAL FUTUREmag: Was sind die wichtigsten Schritte, die Unternehmen bei der Einführung eines Source-to-Pay-Prozesses beachten müssen?

Michael Rösch: Wir empfehlen unseren KundInnen in iterativen Schritten vorzugehen. Vor 15 Jahren hat man versucht, einmal Geld in die Hand zu nehmen und dann die perfekte Lösung zu implementieren. Wenn sich die erwarteten Ergebnisse dann nicht eingestellt haben, war die Enttäuschung groß. Heute geht man hier wesentlich agiler an die Themen heran und versucht, möglichst schnell eine lauffähige Lösung im Einsatz zu haben, von der man mit und von seinen Lieferanten lernen kann. Diese Erkenntnisse werden dann in Optimierungsschleifen implementiert und ausgerollt. Dabei wird streng nach Priorität vorgegangen.
Und allen Kritikern kann ich sagen, dass man auch für agile Projekte saubere Verträge und Budgets definieren kann. Die Budgets werden in so einem Setup wesentlich zielgerichteter und mit Fokus auf die wichtigsten Prioritäten ausgegeben. Das schafft maximalen Mehrwert!

DIGITAL FUTUREmag: Sie haben sicher Erfahrung mit der Einführung solcher Prozesse. Wie unterstützen Sie die Unternehmen dabei und auf was sollten diese besonders achten?

Michael Rösch: In einem Vortrag des CPOs von BASF habe ich vor vielen Jahren eine interessante Formel gesehen, die ich hier zitieren möchte: PP + NT = EPP
Das bedeutet: Poor Processes + New Technology = Expensive Poor Processes
Die Essenz dieser „Formel“ ist das, was wir als Lösungsanbieter unseren KundInnen tagtäglich versuchen zu vermitteln: Nur reife Prozesse lassen sich effizient abbilden und bringen Nutzen. Wenn es aber an den Prozessen hapert, kann man von keiner Software verlangen, das zu lösen. Hier muss früher angesetzt werden und dafür haben wir gemeinsam mit unseren PartnerInnen Lösungen erarbeitet, die unseren KundInnen dabei helfen, State-of-the-Art-Prozesse zu etablieren und zu digitalisieren. Und genau dort fließt unsere 25+ Jahre an Erfahrung ein, die unsere GeschäftspartnerInnen so an uns schätzen.

DIGITAL FUTUREmag: Vielen Dank für die wertvollen Einblicke und Tipps sowie Ihre Zeit für dieses interessante Interview.

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