Transformation versus Optimierung der Geschäftsprozesse

Transformation versus Optimierung der Geschäftsprozesse

Im Interview mit Oliver Krautscheid, Vorstand der EASY SOFTWARE AG
Die EASY SOFTWARE AG mit Hauptsitz in Mülheim an der Ruhr entwickelt seit 1990 Software zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen, die sich nahtlos in bestehende Systeme integrieren lässt und Arbeitsabläufe von Kunden weltweit automatisiert, mobilisiert und optimiert. Mit über 13.600 branchenübergreifenden Installationen ist EASY SOFTWARE eines der marktführenden Unternehmen für Softwarelösungen in Deutschland. EASY ist in 60 Ländern aktiv und beschäftigt aktuell fast 400 Mitarbeitende. Mit Akquisition der Apinauten GmbH aus Leipzig hat EASY Ende 2018 einen Technologiezukauf getätigt, der Zugang zu neuen Kundensegmenten im Cloud-Geschäft bietet.

Im Interview mit dem Vorstand, Oliver Krautscheid sprechen wir über SAP, Rechungseingangsverarbeitung, Dokumentenmanagementsysteme, Archive, Kundenportale und vor allen Dingen die Transformation der deutschen Wirtschaft und die damit verbundene Bedeutung der Optimierung der Geschäftsprozesse.

DIGITAL FUTUREmag: Herr Krautscheid, viele Studien und Bücher über die Digitalisierung in Deutschland zeichnen ein relativ ernüchterndes Bild, wenn es um die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft in punkto Digitalisierung und Transformation geht. Hier heißt es, Deutschland habe den Anschluss verloren und müsse sich nun mächtig anstrengen, um im europäischen und insbesondere im weltweiten Vergleich mitzuhalten. Wo steht Ihrer Meinung nach Deutschland in punkto Digitalisierung?

Oliver Krautscheid: Die meisten deutschen Unternehmen haben die gravierenden Folgen der Covid-19-Pandemie und den Wechsel der Mitarbeitenden ins Home Office vor einem Jahr gut hinbekommen, weil die bestehende Informationstechnologie und Geschäftsprozesse das unterstützt haben. Allerdings hat es Führungskräften und Unternehmenslenkern deutlich gemacht, wie bedeutsam digitale Geschäftsprozesse sind und wo noch Verbesserungspotentiale bestehen. Unsere Branche konnte im letzten Jahr vielen Unternehmenskunden helfen, vertrauliche Unternehmensdokumente wie Personal-, Kunden- und Vertragsakten sicher dezentral bereitzustellen. Im nächsten Schritt werden Daten nicht nur deshalb digitalisiert, um effiziente Arbeitsabläufe zu ermöglichen, sondern um bessere Entscheidungsgrundlagen bereitzustellen und agiler mit Kunden, Lieferanten und/oder Arbeitnehmern zu kommunizieren.

Andererseits gibt es hierzulande noch deutliches Verbesserungspotential – unter anderem bei der flächendeckenden Verfügbarkeit schneller Internetverbindungen, den rechtlichen Rahmenbedingungen für Einsatz und Verbesserung von Künstlicher Intelligenz (DSGVO) sowie der Akzeptanz von digitalen Geschäftsmodellen und Software-Denken in Industrie und Handel. Gelegentlich sind wir überrascht, wie stark deutsche Unternehmen und Behörden immer noch von Papierunterlagen abhängig sind.

DIGITAL FUTUREmag: Deutsche Unternehmen neigen oft dazu, vorhandene Geschäftsmodelle und die damit zusammenhängenden Prozesse immer weiter zu optimieren. Wie sehr hängen Transformation und Optimierung zusammen? Oder stehen sie sogar im Widerspruch?

Oliver Krautscheid: Eine Transformation beinhaltet häufig Optimierung; Optimierung bringt jedoch nur selten eine tiefgreifende Transformation. Auch die Digitalisierung eines bestehenden schlechten Prozesses führt nur zu einem schlechten digitalen Prozess.

Einen echten Wandel, der eine komplette Transformation des Geschäftsmodells von Unternehmen bedarf, beobachten wir beispielsweise in der zunehmenden Verbreitung von Subskriptionsmodellen in der Medienbranche (Musik, TV, Zeitungen), dem Handel, in der Automobilindustrie (Car Sharing) und vielen mehr. Im Mittelpunkt des Unternehmensinteresses steht der Kunde. Seine Bedürfnisse sollen besser erfüllt und ein verbessertes Kundenerlebnis angeboten werden. Dafür müssen unternehmensweit Mitarbeiter trainiert, bestehende Geschäftsprozesse automatisiert oder neu eingeführt und Kommunikation schneller werden. Der Erfolg hängt wesentlich davon ab, ob Unternehmen es ganzheitlich schaffen, sich zu verändern oder nur abteilungsweise, was Silo-Denken und Insellösungen zur Konsequenz hat.
Transformationen bergen häufig hohe Risiken, Umsetzungshürden und Investitionen, sodass es teilweise lange dauert, bevor spürbare Erfolge erzielt werden. Hierbei kann unsere Branche mit eigenen Subskriptions- oder Cloud-Angeboten helfen. Diese können den Unternehmen schnell bereitgestellt werden, weil zum Beispiel die eigene IT-Abteilung nicht mitwirken muss. Investitionsgenehmigungen fallen weg, weil die Software-Applikation per Miete erworben werden kann.

DIGITAL FUTUREmag: Die EASY SOFTWARE AG ist einer der großen SAP-Partner in Deutschland und beschäftigt sich mit wichtigen Themen wie Dokumentenmanagement, optimierten Kundenportalen oder nachverfolgbaren Beschaffungsprozessen. Was sollte Ihrer Meinung nach oberste Priorität bei der Digitalisierung gerade mittelständischer Unternehmen haben?

Oliver Krautscheid: Aktuell nutzt mehr als die Hälfte des Mittelstands Enterprise Content Management-Lösungen für die digitale Verwaltung geschäftlicher Dokumente und Inhalte. Als Faustregel gilt: Je größer das Unternehmen, desto höher der Digitalisierungsgrad. Ein Irrtum, der daraus entsteht, ist, dass kleinere Unternehmen schnell denken, ECM-Lösungen seien nur für Konzerne attraktiv. Ein weiterer Irrtum ist, dass es bei ECM nur um die Automatisierung von Büro- und Verwaltungsprozessen ginge; dabei geht es auch – und vor allem – um eine Optimierung der Kundenzufriedenheit. Höhere Zufriedenheit beim Kunden ist fast immer ein Nebenprodukt durch ECM optimierter Prozesse. Essentiell dabei ist, Probleme der Kunden zu verstehen und bestimmte Kunden auch mal explizit nach ihren Wünschen zu fragen. Hat man verstanden, wo der Schuh drückt, sind ECM-Systeme oder andere automatisierte Lösungen der ideale Weg zur höheren Zufriedenheit. Insbesondere digital optimierte Kundenportale verleihen der Flexibilität und der Nähe zwischen Unternehmen und seinen Stakeholdern eine gänzlich neue Dynamik. Solche Verbesserungen wirken sich immer auch auf die Wahrnehmung eines Unternehmens aus. Denkt man noch einen Schritt weiter, gelangt man dorthin, dass Wissen über Prozesse selbst zum Wert werden kann. Das ECM-System eines Unternehmens ist der zentrale Knotenpunkt für alle Daten. Mittels intelligenter Algorithmen können ECM-Lösungen diese Daten automatisch auswerten und daraus Erkenntnisse zur Optimierung der Prozesse und Arbeit ziehen. Solche Erkenntnisse reichen von Skonto-, Logistik- oder Preisoptimierung bis hin zu gänzlich neuen Angeboten.

DIGITAL FUTUREmag: Bei der Optimierung der Geschäftsprozesse nehmen die Themen Dokumentenmanagement und Archivierung sicher eine zentrale Rolle ein. Warum ist die Einführung eines verlässlichen Dokumentenmanagementsystems so wichtig und was sind Ihrer Meinung nach die entscheidenden Kriterien?

Oliver Krautscheid: Digitalisierte Dokumente sind der Grundstein moderner Arbeitsprozesse. Wer heute noch Notizen, Unterlagen oder Verträge in einem Regal sucht, verschenkt wertvolle Zeit. Das elektronische Format lässt zudem Volltextsuchen und automatisierte Empfehlungen bzw. Auswertungen zu. Vordefinierte, automatisierte Arbeitsprozesse entlasten die Mitarbeitenden vom Koordinationsaufwand, welche Aufgabe wann ihre Aufmerksamkeit benötigt. Diese Systeme und Workflows sollten nahtlos in bestehende Systeme anderer Anbieter integrierbar sein, sodass neue Benutzer ohne langen Lernprozess loslegen können.
Bei den Archivsystemen sind unseren Kunden folgende Aspekte wichtig: sichere und vertrauliche Kollaborationsmöglichkeiten im Unternehmen, aber auch mit Partnern und Kunden, DSGVO-Konformität, Revisionssicherheit und Vermeidung von Datensilos, die nicht einfach und mehrjährig ausgewertet werden können. Ein weiteres Kriterium ist, ob die Lösung flexibel (Implementierung im eigenen Hause oder als Software-as-a-Service) bereitgestellt werden kann und sich gut in die bestehenden Unternehmenssysteme integrieren lässt. Idealerweise sollte das Dokumentenmanagementsystem eine Vielzahl von Anwendungen bzw. Unternehmensprozesse abdecken und skalierbar sein, damit Entscheidungsträger auf Knopfdruck mit relevanten Informationen versorgt werden können.

DIGITAL FUTUREmag: Immer wieder stehen mittelständische Unternehmen vor der Herausfo¬rderung, ein geeignetes ERP-System zu beschaffen. Wann sollte ein Unternehmen sich mit dem Thema ERP ernsthaft auseinandersetzen?

Oliver Krautscheid: Das ERP-System ist das zentrale Datensystem für die Steuerung des Unternehmens. Ein Wechsel ist häufig mit hohen Kosten und Implementierungsrisiken verbunden und führt nicht selten zur eingeschränkten Datenvergleichbarkeit mit dem Vorgängersystem. Gründe für einen Wechsel entstehen insbesondere, wenn die Systemeffizienz sinkt und die Administration des ERP umständlich, zeitraubend und komplex wird und wenn mangels Flexibilität nur ein Teil der Geschäftsprozesse abgedeckt wird.
Gerade im digitalen Zeitalter, in dem datengetriebene Geschäftsmodelle vielfältige Auswertungen und schnelle Interaktion mit Kunden und Partnern benötigen, stellt sich die Frage, ob das bestehende ERP-System noch zeitgemäß ist. Idealerweise liefert das ERP konsistente, aktuelle und verlässliche Daten, bietet flexible Dashboards für entscheidungsrelevante Auswertungen und erlaubt einen schnellen Zugriff von überall.

DIGITAL FUTUREmag: Vielleicht noch ein Blick in die Zukunft: Mit KI (Künstlicher Intelligenz) und VR (Virtual Reality), um nur zwei Technologien von vielen zu nennen, ist vieles neu zu denken. Was sind Ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren die wichtigsten Technologien, die Unternehmen unbedingt in Betracht ziehen müssen?

Oliver Krautscheid: Ich bin davon überzeugt, dass Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz noch sehr viel Potential haben und zukünftig noch mehr Wert generieren können. Intelligente Algorithmen helfen schon heute bei der Auswertung von Unternehmens- und Kommunikationsdaten – schneller und mit mehr Durchblick als es Menschen schaffen. Davon kann nahezu jedes Unternehmen profitieren. Daten über Verkauf, Produktion oder Nutzungsverhalten sind heute so wichtig wie das eigentliche Produkt. Denn die aus ihnen gewonnenen Erkenntnisse beeinflussen das Geschäft maßgeblich – zumindest, wenn wir erkennen, wie wir diese Daten interpretieren müssen. Und dabei ist Künstliche Intelligenz der effizienteste Weg, Schwachstellen oder Potentiale zu entdecken und der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein.

DIGITAL FUTUREmag: Ganz herzlichen Dank für dieses spannende Interview.

 

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