Im Interview mit Nicolai Goschin, CEO der Frankfurter Digitalagentur helllicht.
Die fortschreitende Digitalisierung hat das Marketing in den letzten Jahren grundlegend verändert. Unternehmen nutzen immer mehr digitale Kanäle und soziale Medien, Suchmaschinen-, E-Mail- und Mobile-Marketing, um ihre Produkte und Dienstleistungen zu bewerben. Mit Hilfe von Datenanalysen und künstlicher Intelligenz können Unternehmen heute besser denn je auf die Bedürfnisse und Interessen ihrer Zielgruppen eingehen. Personalisierte Werbung gewinnt zunehmend an Bedeutung und Inbound-Marketing-Strategien, bei denen Unternehmen Inhalte erstellen, die potenzielle InteressentInnen anziehen, um sie dann in KundInnen zu konvertieren, werden immer beliebter. Ohne professionelle Unterstützung ist es kaum mehr möglich, eine gute und langfristige Marketingstrategie auf- und nachhaltig umzusetzen.
Die Frankfurter Digitalagentur helllicht hat sich in den vergangenen Jahren weit über das Rhein-Main-Gebiet mit erfolgreichen Marketingstrategien, User Experience Design und Web-Technologie einen Namen gemacht. Mit effektiven, nachhaltigen Wegen im digitalen Marketing-Dschungel begleitet sie zahlreiche namhafte KundInnen auf ihren „neuen“ Wegen im digitalen Umfeld. Die Agentur helllicht gehört zu Deutschlands führenden Agenturen und ist offizielles Mitglied im GWA. Im Interview mit Nicolai Goschin, CEO der Frankfurter Digitalagentur helllicht sprechen wir heute über Digitale Positionierung, Digitalstrategie, die Bedeutung von Corporate Websites, Tracking- und Analytics-Tools, Social Recruiting und die wachsende Bedeutung von User Experience und User Interface Design (UX/UI).
DIGITAL FUTUREmag: Herr Goschin, wenn Sie sich die Veränderungen im Marketing der letzten Jahre anschauen, gab es hier einen entscheidenden Moment, bei dem Sie selbst die Veränderung ganz bewusst wahrgenommen haben?
Nicolai Goschin: Ich würde jetzt gerne sagen, dass es diesen einen Moment gab, aber es war ein Prozess. Wenn ich heute an die frühen Jahre der Agentur zurück denke, dann haben wir „einfach Corporate Websites erstellt“. Vielleicht ein bisschen so, wie man früher einfach einen Laden in einer belebten Straße aufgemacht hat und die Laufkundschaft kam. Die Website ging online, die NutzerInnen kamen und es lief gut. Heute ist die Website nur ein Teil des großen Ganzen. Wir planen bereits bei der Konzeption der Website das übergreifende Bild der Digitalstrategie mit. Bevor der erste Pixel einer Website platziert wird, wissen wir, wie NutzerInnen auf die Website kommen, welche Kanäle im Mix enthalten sind und warum. Das habe ich als eine der wesentlichsten Veränderungen in den letzten Jahren wahrgenommen. Noch stärker als technische Veränderungen oder andere Trends. Das Spielfeld ist so viel größer geworden, dass die Herausforderung ist, die Komplexität zu managen und zu wissen, wo auf dem Feld die SpielerInnen stehen müssen, während früher alle „einfach auf’s Tor geschossen haben“.
DIGITAL FUTUREmag: Von Steve Jobs konnten wir lernen, dass das “Warum” einer Marke entscheidend ist. Was hat das mit einer digitalen Positionierung zu tun und einer sich daraufhin entwickelten Digitalstrategie?
Nicolai Goschin: Das „Warum“ ist der Kern von allem. Wenn wir als Agentur die Positionierung oder Strategie für einen Kunden erarbeiten, ist die erste Frage „Warum?“. Warum das Projekt? Warum das Produkt? Warum der Service? Warum die Marke?
Ich denke, nur wer das „Warum“ einer Sache versteht, ist in der Lage, darauf basierend die richtigen Ableitungen zu treffen. Nach Simon Sinek kommen wir erst vom Warum zum Wie und dann zum Was. In Worten klingt das erstmal sehr trivial, aber es ist ein entscheidender Punkt. Wir sehen häufig, dass „etwas gemacht“ wird. Weil man das gerade so macht, oder weil die anderen es auch so machen. Am Ende ist die Enttäuschung groß, denn obwohl man viel macht, kommt wenig raus. Daher ist es entscheidend, zu hinterfragen und zuerst das Warum bzw. Why zu klären. Auf dieser Basis kann dann eine weitere Strategie abgeleitet werden, aus dieser eine Taktik und dann die Maßnahmen. Folgt man diesem Modell, wird man merken, dass die Maßnahmen plötzlich greifen, weil sie zielgerichtet sind und auf das gleiche Ziel einzahlen.
DIGITAL FUTUREmag: Wo ist der entscheidende Unterschied zwischen einer Digitalstrategie und einer Marketingstrategie?
Nicolai Goschin: Die Grenzen sind hier fließend und gleiche Begriffe werden von verschiedenen Personen unterschiedlich genutzt. Um es noch ein bisschen komplizierter zu machen, müssten wir den Begriff der Digitalisierungsstrategie ins Rennen schicken. Aber lassen Sie es uns lieber vereinfachen. Eine Marketingstrategie umfasst Marketing-Taktiken und Marketing-Maßnahmen, unabhängig vom Kanal. Die Kanäle könnten also zum Beispiel komplett analog und offline sein, wenn das zur Zielgruppe passt. Eine Digitale Marketingstrategie betrachtet den digitalen Teil des Marketings, denkt aber crossmedial, also bis ins Analoge hinein. Eine Digitalstrategie berücksichtigt das digitale Marketing, aber auch andere digitale Anknüpfungspunkte wie Software, Digitale Produkte usw. Ich glaube, an dieser Stelle ist die Begrifflichkeit nicht so sehr entscheidend. Meiner Einschätzung nach ist es für ein Unternehmen heute entscheidend, das digitale Umfeld als das Feld zu begreifen, in dem sich NutzerInnen und KundInnen aufhalten. Und ich brauche eine Strategie, wie ich diesen dort begegnen möchte, heute und morgen. Deshalb sprechen wir auch von digitaler Positionierung, und das ist weit mehr als nur die Corporate Website, auch wenn sie ein wesentlicher Teil ist.
DIGITAL FUTUREmag: Warum ist eine Corporate Website heute so unglaublich wichtig und wie kommen KundInnen dahin, eine optimale Seite für ihre Zielgruppe zu gestalten?
Nicolai Goschin: Wir müssen uns das digitale Umfeld heute wie ein großes komplexes System vorstellen, in dem alles miteinander verbunden ist. Wir sprechen daher auch gerne vom digitalen Ökosystem. Und die Corporate Website ist das Zentrum des Systems. Der Punkt, an dem alles zusammenläuft. Eine User Journey kann an einem beliebigen Punkt starten. LinkedIn, ein QR-Code, eine E-Mail, eine Google-Suche. Die Liste ist endlos lang. Und an jedem dieser Punkte müssen wir in der Lage sein, die NutzerInnen „abzuholen“ und an einen Ort zu führen, an dem wir unsere Botschaft, Emotion, etc. vermitteln können. Das ist die Corporate Website, auf der alle Kanäle zusammenlaufen. Auch wenn sie häufig in der Journey nicht der erste Kontaktpunkt ist, ist sie doch der letzte. Hier muss also eine Aktion ausgelöst werden, die NutzerInnen ins Handeln gebracht werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Handlung ein Kauf ist, eine Kontaktaufnahme oder das Senden einer Bewerbung. Es geht immer um eine Handlung. Und diese müssen wir dann auch messbar machen.
DIGITAL FUTUREmag: Wenn ich Sie also richtig verstehe, geht es ständig darum, das Nutzerverhalten über Tracking und Analysen zu monitoren, um daraufhin optimale Webseiten zu bauen. Ist das richtig?
Nicolai Goschin: Ja, das ist richtig. In der Konzeption einer Corporate Website oder anderen Websites treffen wir stets gewisse Annahmen. Wir konzipieren User Journeys und definieren, wie wir NutzerInnen über die Seite führen wollen, wo wir sie abholen, und wo wir sie hinbringen. Das Tracking ermöglicht es dann, in der Praxis zu überprüfen, ob diese Konzepte aufgehen und wo nachgesteuert werden muss. Selbst wenn das Konzept zu 100% passt, verändern sich Nutzergewohnheiten durch neue Plattformen und Devices. Dies erfordert fortlaufende Optimierung. Eine besondere Herausforderung ist dabei aktuell das Thema Datenschutz im Zusammenhang mit Nutzer-Tracking. Wir alle kennen Cookie-Banner aus der eigenen Nutzung des Internets. Uns muss klar sein, dass bei den meisten Websites ein „nein“ zu Cookies bedeutet, dass die Website zur Blackbox wird. Die Bewegungen der NutzerInnen sind kaum noch ersichtlich. Zum Glück gibt es heute neue Verfahren für das Tracking, die ohne Cookies funktionieren und uns wieder die Einblicke geben, die wir benötigen, um ein optimales Ergebnis zu erzielen.
DIGITAL FUTUREmag: Der Fachkräftemangel ist bereits überall zu spüren. Marketing und die oben besprochenen Maßnahmen werden daher auch immer mehr im Bereich Social Recruiting eingesetzt. Worin unterscheidet sich das Marketing für Produkte zum Marketing für neue MitarbeiterInnen?
Nicolai Goschin: Das Interessante ist, der Unterschied ist gar nicht so groß. Nur wird das leider häufig übersehen. Im Recruiting, als der Gewinnung neuer Fachkräfte, müssen wir ArbeitgeberInnen, also Unternehmen, auch in diesem Umfeld als Marke begreifen. Aus diesem Grund spricht man auch von Arbeitgebermarken. Eine Marke ist – sehr vereinfacht – eine Summe von eingehaltenen Versprechen kombiniert mit einer Emotion. Und dies müssen wir auch im Recruiting vermitteln. Wir müssen also ArbeitgeberInnen emotional aufladen, sie müssen für etwas stehen. Und das müssen wir als Agenturen kommunizieren. Im Social Recruiting zum Beispiel nutzen wir Social Media Kanäle, um neue Fachkräfte zu gewinnen. Tun wir das richtig, schalten wir nicht einfach Stellenanzeigen, sondern vermitteln das Positive an ArbeitgeberInnen. Dieser Einstieg funktioniert wesentlich besser als ein plumpes „Hey, hier ist ein Job, suchst du gerade?“. Der große Unterschied zwischen dem Marketing für ein Produkt und dem Marketing für ArbeitgeberInnen liegt darin, dass es wesentlich schwieriger ist, die Unterschiede darzustellen. Alle haben Karrierechancen, flexible Arbeitszeiten, tolle Teams, Purpose, Work-Life-Balance, etc. Warum ist nun ein Unternehmen ein besserer Arbeitgeber, eine bessere Arbeitgeberin als ein anderes? Das herauszuarbeiten und so aufzubereiten, dass es kommunizierbar, glaubhaft und merkfähig ist. Das ist die große Kunst im (Social) Recruiting.
DIGITAL FUTUREmag: Webseiten, die heute nicht optimal zu bedienen und erklärungsbedürftig sind, führen mittel- und langfristig nicht zu den gewünschten Ergebnissen. User Experience (UX) und User Interface (UI) haben bei SaaS (Software as a Service) Angeboten dementsprechend ebenfalls eine immense Bedeutung. Bitte erklären Sie kurz, worin der Unterschied besteht und warum diese beiden Elemente in Zukunft zunehmend an Bedeutung gewinnen werden.
Nicolai Goschin: Das ist eine sehr gute Frage. Ich glaube aktuell eine der wichtigsten überhaupt. UX/UI wurden lange Zeit vernachlässigt und „irgendwie“ mit gemacht. In den frühen Zeiten der Digitalisierung war alles besser als ein Fax-Gerät. Dabei – und das kann ich nicht deutlich genug betonten – wird UX/UI in den kommenden Jahren zu dem einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Wer darauf heute nicht reagiert, wird es in der Zukunft schwer haben.
Ich möchte einmal erläutern, warum das so ist. Zum einen wird das Tempo in der Digitalisierung, insbesondere in der Software, dramatisch zunehmen. Die Time to Market von Software Produkten wird kürzer, weil Prozesse und Tools von einem höheren Grad von Standardisierung profitieren. Entsprechend werden wir durch ein höheres Tempo und niedrigere Einstiegsbarrieren mehr Software-Produkte haben. Die neuen Browser-Generationen erlauben es, Software heute in großen Teilen Browser-basiert auszuliefern. Damit verbunden sind dann Abo-Modelle, also weg von einmaligen Lizenzkosten, hin zu monatlichen Zahlungsplänen. Dies wiederum macht den Wechsel leichter. Ich kann viele Software as a Service Produkte 14 Tage kostenlos testen und danach monatlich kündigen. Wenn mir ein Produkt also nicht gefällt, wechsele ich.
Und nun wird es interessant. „Gefallen“ ist in der Regel nicht eine Frage von unzähligen Features, sondern eines positiven Bediener-Erlebnisses. Also User Experience. Und diese ist wiederum verbunden mit User Interface Design. Unternehmen, die es im SaaS Umfeld also nicht schaffen, User Experience so zu gestalten, dass sie zumindest genauso gut ist wie der Wettbewerb – und diesen müssen wir international betrachten – werden langfristig vom Markt verschwinden, auch wenn ihre Technik hinter dem Interface um Längen besser ist als die der Konkurrenz.
DIGITAL FUTUREmag: Lassen Sie uns zum Schluss des Interviews noch einmal gemeinsam in die Zukunft schauen. Reels auf Facebook werden immer kürzer und der eigentliche Informationsgehalt für die User verliert an Bedeutung. Wo führt das Ihrer Meinung nach hin und sehen Sie eine Gegenbewegung?
Nicolai Goschin: Ja, eine Gegenbewegung wird kommen, aber das dauert noch ein bisschen. Aktuell schiebt der AI Trend das Thema in eine andere, meiner Meinung nach falsche Richtung. Die Qualität im Bereich Content wird erstmal nachlassen. AI wird dafür sorgen, dass Inhalte trivialer werden und damit weniger Informationsgehalt haben. Die einen rühmen sich damit, mittels ChatGPT in ein paar Minuten ein Whitepaper zu schreiben, die anderen rühmen sich damit, dass sie keine Whitepaper mehr lesen müssen, weil ChatGPT die Inhalte für sie zusammenfasst. Das wird noch etwas so weitergehen, bis die User satt sind. Satt von schnellem, trivialen Content, der keine Relevanz hat. Wenn wir dort ankommen, werden NutzerInnen wieder bewusster entscheiden, was sie digital konsumieren und was nicht. Dann werden qualitativ starke Inhalte wieder an Bedeutung gewinnen und wir werden digital etwas entschleunigen. Bis dahin wird erstmal alles schneller und irrelevanter – und das wird eine Herausforderung für Unternehmen, die hervorstechen wollen.
DIGITAL FUTUREmag: Wir bedanken uns für das eindrucksvolle Gespräch.