Die Herausforderung der Verwaltung meistern mit agilen Methoden

Die Herausforderung der Verwaltung meistern mit agilen Methoden

Im Interview mit Helene Valadon, Executive Consultant bei borisgloger consulting GmbH

Gegenüber den aktuellen und künftigen Herausforderungen der Verwaltung scheinen die agilen Prinzipien und Vorgehensweisen neue Chancen zu bieten. Ob demographischer Wandel, Digitalisierung oder auch der wachsende Wunsch der Bürgerbeteiligung, alle diese Themen stellen für die Verwaltung große Herausforderung dar. Im Interview mit Helene Valadon, Executive Consultant bei borisgloger consulting sprechen wir heute genau über diese Themen und welche Möglichkeiten hier ein agiler Ansatz bietet.

Entscheider kompakt: Ihre Unternehmensberatung ist sehr breit aufgestellt. Von Lösungen im Bereich Digitale Strategien, Innovation Labs, dem Bereich Skalierung bis hin zu Führungstraining werden die wichtigsten Elemente angeboten. Kann man denn in all diesen Bereichen Spitzenberatung anbieten?

Helene Valadon: Als die Firma gegründet wurde hatten wir uns vor allem darauf fokussiert, Unternehmen bei der Implementierung von Scrum und Kanban in einzelnen IT Projekten zu unterstützen. Schnell haben wir gemerkt, dass einzelne Projekte stark in Abhängigkeit zu der gesamten Organisation stehen. Um Synergien zwischen Projekten und Abteilungen erfolgreich nutzen zu können, sind wir zu der Erkenntnis gekommen, auch hier agile Methoden anzuwenden. Damit ist das operative Tagesgeschäft bis hin zur gesamten Organisation gemeint. So haben wir schnell gelernt agile Methoden und agiles Arbeiten auf die ganze Organisation zu übertragen. Auch bei der Projekt- bzw. Produktentwicklung in der Hardware machen agile Ansätze Sinn. Bspw. haben wir bei der Produktentwicklung von Medizintechnik Maschinen oder im Maschinenbau Scrum angewendet.

Entscheider kompakt: Der Bereich öffentliche Verwaltung ist ein Schwerpunkt ihrer Arbeit. Was sind ihrer Meinung nach hier die größten Herausforderungen der kommenden Jahre?

Wie auch in fast allen anderen Branchen wird die öffentliche Verwaltung mit den allgegenwärtigen Problemen und Herausforderungen in unserer Gesellschaft und in der Wirtschaft konfrontiert. Denn auch die öffentlichen Verwaltungen müssen unter Ressourcenknappheit reaktionsfähiger, flexibler und wirksamer werden. Im Prinzip ist es da zunächst einmal auch egal ob es sich um Städte, Ministerien, Universitäten oder sonstiges handelt. Die Digitalisierung erhöht einerseits die Anforderungen der Nutzer, welche in diesem Fall die Bürger sind, an innovative Vorgehensweisen, gleichzeitig erhöht sich dadurch die Komplexität der Themen und Kompetenzfelder. Die Bürger wünschen sich zudem eine größere Beteiligung und Einbindung, mehr Mitspracherecht und Transparenz über die geleistete Arbeit der Verwaltungen.Die Demografische Entwicklung ist hierbei ein weiterer Störfaktor im Kampf um qualifizierte Fachkräfte. Die wachsende Komplexität fordert wachsende Qualifikationen in der Belegschaft. Konzerne, Mittelständler und öffentliche Verwaltungen stehen hier im direkten Wettbewerb. Deshalb ist es wichtig die Arbeitswelt agiler zu gestalten und neue Elemente auch im Rahmen von New Work in die Arbeitsplatzgestaltung einfließen zu lassen.

Entscheider kompakt: Verwaltungen haben häufig noch relativ statische Strukturen mit festen Hierarchien und Zuständigkeiten. Warum scheint hier gerade ein agiler Ansatz eine gute Lösung zu sein?

Helene Valadon: Aufgrund der oben beschriebenen Komplexität ist eine Sache wichtiger als nie zu vor: Kollaboration. Zusammenarbeit ist im digitalen und agilen Zeitalter unabdingbar. Im Gegensatz dazu stehen starre Hierarchien, welche diese Zusammenarbeit gefährden können und destruktiv auf das Endergebnis wirken können. Es geht dabei nicht nur um Zusammenarbeit innerhalb von Abteilungen, sondern auch um team- und abteilungsübergreifende Tätigkeiten. Oft herrscht hier noch ein Silodenken, welches aufgrund dieser nicht mehr zeitgemäßen Strukturen entstanden ist. Als Gegenstück dazu stehen agile Methoden, welche letzten Endes dafür sorgen können, dass wieder an einem Strang gezogen wird. Besonders in der Projektwelt ist dies von Nöten, da so das Arbeiten von Experten gefördert werden kann. Des Weiteren merken wir, dass in von Hierarchie getriebenen Organisationen die Reaktionsfähigkeit nachlässt und die Organisation in der Entscheidungsfindung sehr langsam ist. Agilität kann durch eigenverantwortliches und selbstorganisiertes Arbeiten die Effizienz in der Entscheidungsfindung erhöhen.

Entscheider kompakt: Wie genau beginnen Sie hier mit agilen Methoden?

Helene Valadon: Wie bei jedem Veränderungsprojekt steht und fällt alles mit den Mitarbeitern. Diese müssen befähigt werden. Seien es Tools, Methoden oder sonstiges. Die agile Welt bietet ein großes Repertoire an Methoden und Tools, welche lehrbar sind. Schulungen der Mitarbeiter sind notwendig, damit man das Interesse innerhalb der Belegschaft am Change wecken kann und der Mitarbeiter sich dafür gestärkt sieht. In der Projektarbeit lässt sich relativ gut mit Scrum oder Kanban starten. Der erste Schritt liegt nun darin Pilotprojekte zu identifizieren. Die Projektteilnehmer sollen sich freiwillig melden und bestehen idealerweise aus Mitarbeitern, welche Lust auf Veränderung und ein agiles Arbeiten haben und bereit sind Neues zu lernen und sich auszuprobieren. In diesen Piloten sollen Erfahrungen gesammelt werden, welche hinterher an die gesamte Organisation berichtet werden. Damit soll das Interesse für agiles Arbeiten in weiteren Abteilungen und Projekten geweckt werden. Freiwilligkeit ist hierbei natürlich immer die Grundvoraussetzung.

Entscheider kompakt: Nehmen wir zum Beispiel einmal das Thema Beteiligung und Einbindung von Bürger*innen und Beschäftigten in wichtige Entscheidungen des öffentlichen Lebens. Der Wunsch sich hier aktiv zu beteiligen ist überall spürbar. Welche Widerstände spüren Sie in der öffentlichen Verwaltung, wenn es um solche Themen geht und wie hilft Ihnen hier ein agiler Ansatz?

Helene Valadon: Es ist schon fast etwas Natürliches und kein verwaltungsspezifisches Problem, dass ein Mensch oftmals innerlich im Widerstand mit Feedback ist. Das ist aber kein Problem welches nicht lösbar ist, denn man kann lernen mit Feedback umzugehen und man kann lernen darauf richtig zu reagieren. Das ist eine von den vorher bereits genannten Kompetenzen, welche die Mitarbeiter lernen müssen. Agiles Arbeiten bringt das einerseits bei, andererseits setzt es das Arbeiten mit Nutzer Feedback auch voraus. Denn es geht um nichts anderes als mit einer Sammlung von Meinungen und Wünschen umzugehen und daraus konkrete implementierbare Lösungen zu entwickeln. Durch eine Priorisierung der Wünsche, das iterative Vorgehen und das kontinuierliche Einholen von Feedback kann sichergestellt werden, dass den Wünschen entsprechend gehandelt wurde. Sollte dem mal nicht so sein und man hat ein Feedback falsch verstanden, kann man schnell darauf reagieren. Bei unserer Arbeit wird der Nutzer, in diesem Fall der Bürger, immer eingebunden und steht voll und ganz im Mittelpunkt.

Entscheider kompakt: Können Sie uns ein Beispiel für eine erfolgreiche Verwaltung nennen die mithilfe der agilen Methoden ihre Ziele erreicht hat oder mindestens ein großes Stück vorwärts gekommen ist? Was war hier das Erfolgsrezept?

Helene Valadon: Es gibt ein paar bekannte Beispiele für das erfolgreiche agile Arbeiten in Verwaltungen. Bspw. haben die Stadt Heidelberg oder einige Kommunen in Schweden und Estland schon gezeigt, wie sie durch agiles Arbeiten effizienter wurden. Sie arbeiten nun für den Bürger und entlasten ihn, anstelle eine Belastung darzustellen. Auch einige Hochschulen in Wien haben bereits damit angefangen agile Ansätze einzuführen.Die agilen Methoden helfen vor allem die Projektfortschritte transparent und überprüfbar zu machen. Dabei half es den Verwaltungen meist auch die Kommunikation zwischen Auftraggeber und Kunde zu verbessern. Agiles Arbeiten soll die Verwaltungen dazu bringen schneller auf Veränderungen zu reagieren und sich dem Feedback von Bürgern anzupassen. Deshalb wurden Plattformen zum Sammeln von Feedback aufgesetzt. Durch schlankere Prozesse konnte das Feedback schnell evaluiert werden. Letzten Endes konnten so Maßnahmen abgeleitet und angewandt werden. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist das Ausprobieren unter dem Aspekt der Freiwilligkeit. Die ohnehin motivierten Mitarbeiter konnten sich so austoben und an neuen Ideen arbeiten. Zum gegenseitigen Lernen innerhalb der Organisation hat meist das Schaffen eines sicheren Raumes geholfen. Hier konnten Mitarbeiter ihr Wissen, ihre Best Practices und ihre Learnings teilen. Dies geschah völlig Team- und Abteilungsübergreifend. Daraus resultierte auch schnell das Verständnis, dass eine agile Organisation eine andere Art von Führung braucht. Ein weiteres Erfolgsrezept ist die Schaffung neuer physischer Arbeitsräume. Wer kreative Ideen haben will, muss diese auch entwickeln lassen können. Dies geschieht besser in einer neuen Arbeitsplatzumgebung mit Elementen von New Work. In diesen Räumen ist ausprobieren ein Muss und scheitern erlaubt.

Entscheider kompakt: Das Thema Digitalisierung scheint ein übermächtiges Thema zu sein. Welchen Tipp können Sie Verantwortlichen von Verwaltungen geben, die sich nun nachhaltig mit dem Thema beschäftigen wollen?

Helene Valadon: Ich sage, dass Agilität das Betriebssystem der Digitalisierung ist. Und deshalb ist es auch hier von Relevanz mit dem zu starten, womit wir bei der Einführung Agiler Methoden in Unternehmen oder Verwaltungen starten: Dem Aufbau von Kompetenz. Gibt es keine Kompetenz im Haus, muss diese eingekauft werden. Daran führt kein Weg vorbei. Danach ist es ebenfalls sehr wichtig, die Teams interdisziplinär aufzustellen. Der Austausch der Mitarbeiter mit Experten, welche eben viel Wissen über aktuelle Digitalisierungstrends und -themen haben, ist enorm wichtig, denn ich glaube, dass am meisten gelernt wird, wenn man zusammen an einer Sache arbeitet und sich durch die Diversity im Team ergänzen kann. Ebenso sollten sich Entscheider in Verwaltungen anschauen wie andere Branchen, die. mit der Digitalisierung ein paar Schritte weiter sind, ihre ersten Schritte gemacht haben. Was kann man von deren Entscheidungen lernen? Was kann man kopieren? Was sollte man lassen? Besuchen Sie Innovation Labs der großen StartUps, fahren Sie in den Silicon Valley und erweitern Sie ihren Horizont.

Entscheider kompakt: Haben Sie herzlichen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch.

Das Interview führte Michael Mattis, Herausgeber Entscheider kompakt.

 

 

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