Change des Change - Wie Veränderungsprozesse gelingen

Change des Change - Wie Veränderungsprozesse gelingen

Im Interview mit Dr. Klaus Wagenhals, Buchautor und Change-Experte bei metis leadership.

metisleadership ist ein Netzwerk erfahrener BeraterInnen, das auf teilweise sehr unterschiedlichen Kompetenzen beruht. Das Team um Herrn Dr. Wagenhals entwickelt nachhaltige Kraft für den Veränderungsprozess in kleinen, mittelständischen, aber auch großen Unternehmen durch besondere Ansätze, die die derzeitigen und künftigen Herausforderungen beantworten. Fundamentale Veränderungen in Unternehmen stehen an, die Agilisierungs- und Digitalisierungs-Wellen in Verbindung mit manchmal drastischen Kulturveränderungen – teilweise verstärkt durch die uns alle fordernde Corona-Pandemie. Und auch immer wieder ergänzt durch ganz „normale“ Kostensenkungs- und Optimierungsmaßnahmen.

Ihr Fokus liegt dabei auf der Ergänzung der harten um die weichen Faktoren im Sinne einer ganzheitlichen, systemischen Unternehmensberatung. Das Team unterstützt dabei den Change auf allen Ebenen, wie z.B. mit innovativen Strategie- und Leadership-Konzepten, dem ChangeLab sowie hybriden Ansätzen im Projektmanagement. Ziel ist es, im Unternehmen oder im Projekt einen dauerhaften Erfolg sicherzustellen. Im Interview mit Dr. Klaus Wagenhals sprechen wir heute über globalisierte Märkte, die Unsicherheit bei langfristigen Entscheidungen, Digitalisierung und deren Bedeutung auf die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen und was das alles mit der Mitarbeiterzufriedenheit zu tun hat.

DIGITAL FUTUREmag: Digitalisierung hat viel mehr mit Management zu tun, als viele Entscheider es wahrhaben möchten. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür?

Dr. Klaus Wagenhals: Da würde ich gleich mal in die Begriffsklärung gehen: Management bedeutet ja eigentlich nur die systematische Verfolgung verschiedener Schritte, wie Ziele definieren, Planen, diese Pläne auf Menschen verteilen, abarbeiten, controllen usw. bis ein Ergebnis erzielt ist. Das wird ja heute keiner der vielen Führungsebenen in Unternehmen und deren Aufgaben gerecht. Schon seit den 80er Jahren brachte dessen Kritik als zu mechanistisch (Mensch und Organisation werden als Maschine gesehen) den leadership-Ansatz hervor, der das „Schmieröl“ in einer sozialen Organisation, wie einem Unternehmen darstellt. Ein Teil davon ist z.B. eine Führungskunst, die heute sehr gefragt ist: Visionen zusammen mit den Menschen im Unternehmen so zu entwickeln, dass sie nachvollziehbar sind und allen dienen – und daher motiviert verfolgt werden und die Leute stolz werden lässt.

Nun zur Digitalisierung. Diese ist die Fortsetzung eines seit Jahrzehnten zu beobachtenden Prozesses der Miniaturisierung, Effektivierung und Erneuerung von Arbeitsprozessen und Produkten/Dienstleistungen mit Hilfe neuer Technologien – mittlerweile auf einem neuen Niveau. Dies hat teilweise gravierende Folgen für die gewachsenen, meist hierarchischen Strukturen und auch für die Anforderungen an die Menschen sowie an die Art und Weise der Zusammenarbeit (was häufig dann als „Kultur“ zusammengefasst wird).

Damit liegt der Zusammenhang zu leadership und Management auf der Hand: es geht um die Neugestaltung des Zusammenspiels von Technik (Maschine/Software) und Mensch, um die Frage, wie er die damit verbundenen Herausforderungen annimmt und bewältigt, ohne krank oder abgehängt zu werden, um die Frage, wie die (mehr und mehr virtuelle) Zusammenarbeit aussehen soll, wie sich insofern Führung verändern muss und in ein neues Verhältnis zur Selbstorganisation der Mitarbeiter tritt, wie er trotz Transparenz und KI-gestützter Problemlösung Herr (oder Frau) der Prozesse bleibt.
Die Veränderungen berühren Führung und Management in ihrem Kern – insofern muss auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig umgedacht und anders gehandelt werden – es braucht also auch neue Führungskonzepte, weil die alten wirkungslos verpuffen oder sich lächerlich machen. Dies gilt vor allem bei den Generationen Y und Z.

DIGITAL FUTUREmag: Im Markt herrscht im Moment eine sehr hohe Unsicherheit. Das betrifft nicht nur Entscheidungen rund um das Thema Digitalisierung, sondern auch alle anderen Bereiche. Dies gilt für GeschäftsführerInnen eines kleinen mittelständischen Unternehmens oder Konzernleitung. Was ist Ihrer Meinung nach das Gebot der Stunde, wenn es um nachhaltige Veränderungsprozesse geht?

Dr. Klaus Wagenhals: Die Unsicherheits-Thematik lässt sich sehr gut anhand der seit fast einem Jahr bei uns grassierenden Corona-Pandemie behandeln: Wenn plötzlich eine Veränderung eintritt (in diesem Fall von außen), kann man so tun, als ob es keine Risiken gibt, kann man hektisch nach neuen Rezepten suchen oder man beginnt, sich auf die wesentlichen Punkte zu konzentrieren, mit denen das eigene oder das Überleben der ganzen Organisation (wahrscheinlich) gesichert werden kann.
Zentral ist also, dass man sich klarmacht, dass man für eine Situation kein festes Handlungskonzept hat und daher probieren muss, wie´s geht – am besten mit den Leuten, für die man verantwortlich ist, zusammen. Leider behindern sich viele „Manager“ dabei selbst, weil sie so sozialisiert wurden, alles „im Griff“ zu haben.

Die Bundesregierung hat das vorbildlich demonstriert, indem sie sich ab März/April Wissenschaftler zur täglichen Pressekonferenz dazu geholt hat, das Ziel ausgegeben hat, nicht das Virus zu beseitigen (das wäre ein völlig unrealistisches Ziel gewesen), sondern die Krankenhäuser und andere Teile des Gesundheitssystems handlungsfähig zu halten und immer wieder betont hat, dass man probieren müsse, wie´s geht, weil man das Virus noch nicht gut kennt (insofern gab es auch parallel Begleitforschung – praktisch bis heute neben der Impfung). Erfahrungsgemäß akzeptieren einen derartigen Weg Beschäftigte eher, als „so tun, als ob…“.
Natürlich braucht es gleichzeitig Transparenz (hier kann die Digitalisierung gute Dienste leisten), den Mut, neue Wege zu gehen und neue Methoden/ Verfahrensweisen zu erproben sowie die Bereitschaft, die Beschäftigten an dem Prozess zu beteiligen, um so zu erkennen oder zu klären, was man alles kann und hat, was man aber vielleicht braucht, um überleben zu können, wie man also „auf Sicht fährt“. Ich denke, dass ist das Gebot der Stunde.

DIGITAL FUTUREmag: Viele UnternehmerInnen setzen eher auf kleine, kontinuierliche Verbesserungen als auf einen grundlegenden Wandel. Was ist besser und kann das eine ohne das andere gelingen?

Dr. Klaus Wagenhals: Ja, das kennen wir; das hat mit der oben behandelten Unsicherheit zu tun: man glaubt, wenn man kleine Schritte macht, habe man die Folgen noch im Blick und könne schneller gegensteuern, wenn etwas schiefläuft. Gleichzeitig haben wir oft erlebt, dass „Manager“ so viel zu tun haben und gleichzeitig bewegen sollen, dass sie die „Change-Vorhaben“ „kleinhacken“, um sie besser einplanen und auch delegieren zu können. Häufig steckt natürlich auch dahinter, dass wir Menschen – so Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften – häufig von grundsätzlichen Umwälzungen (Transitions) überfordert sind aufgrund der nicht-durchdringbaren Komplexität und dass wir als Unternehmer selten ein fundiertes Change-Verständnis haben, mit dessen Hilfe wir locker – je nach Anforderung – zwischen unterschiedlichen Anlässen für die Veränderung und die dazu passenden Konzepte unterscheiden könnten.

Insofern raten wir, sich genau anzuschauen, was wie stark verändert werden muss/ soll, um einen wirklich deutlichen Mehrwert zu erreichen – was also Priorität hat – das aber dann mit Konsequenz angehen. Und komplex denken lernen.

DIGITAL FUTUREmag: Das führt uns zwangsläufig zu dem Thema VUCA in der Businesswelt. Was hat sich in den vergangenen Monaten in Zeiten der Pandemie geändert oder was ist besonders deutlich geworden?

Dr. Klaus Wagenhals: Neben dem, was ich schon erläutert habe (Denkmodell/ Vorgehensweise) hat uns Corona gelehrt, dass vieles viel schneller geht, als wir es gewohnt waren, z.B. Tempo der Bearbeitung und Auszahlung von Soforthilfen, flexible Umstellung von Lieferketten, dass eine Menge Kreativität in uns Menschen steckt, die eine Ressource für die Wirtschaft sein könnte.

Und auch, dass die Digitalisierung einerseits bereits weit genug entwickelt ist, dass es von heute auf morgen Home Office geben konnte und dass andererseits ihr Durchdringungsgrad, z.B. in den Schulen oder in den Gesundheitsämtern für einen der wirtschaftlich erfolgreichsten Staaten der Welt skandalös niedrig ist und insgesamt: wie wichtig gemeinsame, realistische Ziele, Solidarität mit Alten und Kranken sowie Künstlern sind und wie schlecht man beraten ist, wenn man Prognosen mit wirtschaftlichen Wunschvorstellungen verwechselt ohne die Ausbreitungsgesetze einer Pandemie zu begreifen und wenn man erst eine Pandemie braucht, um gezielt staatliche Strukturpolitik mit ökologischem Umbau verknüpft zu betreiben, z.B. den Flugverkehr.

DIGITAL FUTUREmag: MitarbeiterInnen schätzen eine langfristige Strategie, an der sie sich selbst und ihre Arbeit orientieren können. Wie wichtig ist die Kommunikation einer langfristigen Strategie für die Mitarbeiterzufriedenheit?

Dr. Klaus Wagenhals: Prinzipiell sehr wichtig – vor dem hier besprochenen Hintergrund von Corona und Digitalisierung sollten wir uns klarmachen, dass Digitalisierung kein Selbstzweck sein kann, sondern eng an die Geschäfts-Strategie gekoppelt sein muss – natürlich mit der Freiheit, evtl. gänzlich neue Geschäftsfelder zu erobern, wenn die Chance sichtbar wird. Ansonsten muss die Digitalisierung dazu beitragen, die Organisation, in der sie umgesetzt wird zukunftsfähig zu machen bzw. zu halten – und zwar einerseits bzgl. Produkte und Dienstleistungen und andererseits bzgl. interner Prozesse, Strukturen usw. Hieraus muß man keine komplizierte Strategie mit 100 Folien basteln, sondern am besten einige Leitlinien mit Substanz, die in jedem Geschäftsbereich verstanden und auf die jeweiligen Schwerpunkte bezogen und dabei konkretisiert werden müssen.

Im Focus muss dabei immer die Wertschöpfung für den Kunden bzw. die Eroberung einer Marktnische stehen – gepaart mit dem Stolz und der Zufriedenheit der MitarbeiterInnen und keinesfalls die Einzelinteressen der Abteilungen („Silos“). Hierzu würde ich mir wünschen, dass sich Digitalisierungs-Fachleute etwas mehr Zeit nehmen für die Grundlagen zur Gestaltung „guter Arbeit“, um vor diesem Hintergrund, schon bevor Klagen der User kommen, Probleme und Fehler in der Software oder mit der Plattform beheben zu können oder gar nicht erst auftreten zu lassen. Z.B. wird im moment so getan, als ob Home Office eine neue Erfindung sei und nun mit Corona ihren Siegeszug antrete – um dies etwas realistischer einschätzen und auch Probleme beachten zu können, wäre es günstig, mal ein paar Aufsätze aus den 90ern zu „alternierender Telearbeit“ mit den dort formulierten Problemlösungen zur Kenntnis zu nehmen. Insofern sollte sich der Blick in den nächsten Monaten und Jahren mehr auch auf das richten, was gelernt und auch im Sinne aller produktiv im Sinne von „new work“ für alle umgesetzt werden kann (z.B. kann man von Zoom lernen, dass ein unhandliches und mit Datenschutzproblemen gespicktes Tool zum Videoconverencing innerhalb von ein paar Monaten 3 Releases erfahren hat und nun auch in Europa zu einem der Marktführer avanciert ist).

DIGITAL FUTUREmag: Die Unternehmen stehen vor gravierenden Herausforderungen: digitale Transformation, zunehmende Komplexität der Lieferketten, uvm. Was ist die wichtigste Message, die Sie einer Unternehmensleitung an die Hand geben würden?

Dr. Klaus Wagenhals: Wir wissen mittlerweile, dass diejenigen Unternehmen am erfolgreichsten sind, die nicht einfach irgendwelche „Hypes“ mitgemacht haben (weil es alle machen), sondern die genau hingeschaut haben in ihrem Marktsegment, teilweise mit ihren Kunden und Mitarbeitern, wo sie welche Veränderung brauchen, ob in den Prozessen, den Strukturen, in der Kultur, ob im Produkt oder in der Dienstleistung, um einen signifikanten Mehrwert zu schaffen und damit Kundenbindung herstellen zu können. Unternehmer, GL, Vorstände sollten sich weniger von großen Unternehmensberatungen treiben lassen, sondern schauen, was sie selbst schon gemacht/ probiert haben und was sie können – oft schlummert das „Neue“ bereits im schosse des Alten.

DIGITAL FUTUREmag: Ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch.

 

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