Aufholprogramm fürs Klassenzimmer - Digitalisierung und neue Infrastruktur für Schulen

Aufholprogramm fürs Klassenzimmer - Digitalisierung und neue Infrastruktur für Schulen

ENTSCHEIDER Kompakt im Interview mit Thorsten Beuchel dem Leiter Public Sector beim Bechtle Systemhaus Dortmund

Mit regionaler Präsenz und überregionaler Stärke ist das Bechtle IT-Systemhaus Dortmund ein zukunftsorientierter IT-Partner von Unternehmen und öffentlicher Verwaltung. Es bedient rund 400 Kunden aus den Segmenten Mittelstand, Industrie, Dienstleistung und öffentliche Auftraggeber. Wir freuen uns daher heute mit Thorsten Beuchel dem Leiter Public Sector beim Bechtle Systemhaus Dortmund zu sprechen. Im Interview geht es um die Digitalisierung in Schulen, die notwendige Infrastruktur und die Hürden, die für eine erfolgreiche Umsetzung zu überwinden sind.

Entscheider kompakt: Bechtle ist der größte Systemhausverbund Deutschlands. Wie kamen Sie in Dortmund mit bechtle@school dazu nochmal die Schulbank zu drücken?

Thorsten Beuchel: Das Thema Schule und IT ist für Bechtle kein neues Thema. Schon seit über 20 Jahren legen wir einen Fokus auf IT-Infrastrukturen und Digitalisierung von Schulen und deren vollumfänglichen IT-Support – seit 2017 machen wir das zusätzlich unter dem Markennamen bechtle@school greifbar. In den letzten Jahren hat das Thema auch in der breiten Öffentlichkeit deutlich an Fahrt aufgenommen. In Nordrhein-Westfalen gibt es seit 2017 das Förderprogramm „Gute Schule 2020“ mit dem das Land zusammen mit der NRW.BANK die Sanierung, die Modernisierung und den Ausbau der kommunalen Schulinfrastruktur vorantreiben will. Rund zwei Milliarden Euro Fördergelder können die Kommunen hier abrufen. Zusätzlich liefert der bundesweite Digitalpakt Schule jetzt einen neuen Impuls für den digitalen Wandel im Schulwesen. Daraus steht für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen rund eine Milliarde Euro zur Verfügung.

Entscheider kompakt: Moderne pädagogische Konzepte sehen für das digitale Klassenzimmer weniger klassischen Frontalunterricht vor, Zusatzgeräte für die Schüler sollen die Unterrichtsmöglichkeiten ergänzen. Ist der mit Büchern voll gepackte Schulranzen Schnee von gestern oder kommt nun einfach nur ein Tablet dazu?

Thorsten Beuchel: Die mobilen Endgeräte nur als Buchersatz zu verstehen, wäre zu kurz gegriffen. Natürlich können sie auch das leisten, um ihren vollen Nutzen auszuschöpfen müssen sie jedoch sinnvoll in das pädagogische Konzept integriert werden, und das täglich. Dann können sie unter anderem für selbstkontrolliertes und induktives Lernen, multimediales Dokumentieren oder zur Visualisierung von Inhalten eingesetzt werden. Ihren größten Vorteil spielen die mobilen Geräte aus, wenn es darum geht, individuell differenzierte Lernumgebungen für unterschiedlich starke Schülerinnen und Schüler zu schaffen.

Beim Thema Schuldigitalisierung stehen derzeit die digitalen Tafeln für die Klassenräume im Fokus. Welche Möglichkeiten bieten sie für die Unterrichtsgestaltung?

Thorsten Beuchel: Die digitalen Tafeln eröffnen mit ihrer lernpädagogischen Software eine Fülle an Möglichkeiten der Interaktion zwischen Lehrer und Schüler, beziehungsweise der ganzen Klasse. Nicht zuletzt braucht das mobile Klassenzimmer ja eine gemeinsam sicht- und nutzbare Präsentationsfläche. Im Prinzip sind digitale Tafeln Tablets im Großformat mit ähnlichen Funktionsweisen, ohne dass auf die Vorteile klassischer Tafeln verzichtet werden muss. Insgesamt stehen die digitalen Tafeln aber auch deswegen im Fokus, da sie besonders auffällig sind im digitalen Klassenzimmer. Im digitalen und analogen pädagogischen Gesamtkonzept stellen sie „nur“ einen möglichen Baustein von vielen dar. Am Ende entscheidet das pädagogische Konzept der Schule über die konkrete Ausstattung eines Klassenzimmers. Und da gibt es auch vielfache Beispiele ohne digitale Tafeln.

Entscheider kompakt: Wie sieht es mit den digitalen Strukturen aus. Welche Best Practice Vorgehensweisen empfehlen Sie zum Beispiel für das Schul-W-Lan?

Thorsten Beuchel: An erster Stelle steht die individuelle Planung mit unmittelbarer Ausleuchtung. Und zwar vor Ort. Nicht anhand von Bauplänen. Wenn die Ausleuchtung nicht sauber durchgeführt wurde, kann es richtig teuer werden. Ergänzt werden sollte auch, dass individuelle Planung nicht gleichzusetzen ist mit schulindividueller Lösung. Der Schulträger muss standardisieren und eine einzige Lösung einsetzen, die für alle Schulen in seinem Verantwortungsbereich funktioniert. Der nächste Schritt wäre dann die Zusammenarbeit mit einem Hersteller, der eine zentral managebare, skalierbare und für die Anforderungen der Zukunft gut aufgestellte Lösung bietet. Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung mit Kommunen, finden wir für jede Anforderung den passenden Hersteller.

Entscheider kompakt: Sehen Sie in der Digitalisierung Möglichkeiten im Kampf gegen den bundesweiten Lehrermangel?

Thorsten Beuchel: Nicht direkt. Lehrer sind weiterhin ein wesentlicher und integraler Bestandteil des analogen und digitalen Unterrichts. Die bestehende Lücke im aktuellen Lehrer/Schüler-Verhältnis wird nicht und sollte auch nicht durch digitale Werkzeuge geschlossen werden. Was ich sehe ist, dass durch die Digitalisierung die Qualität und Interaktivität von Unterricht steigt. Denn für eine differenzierte Förderung starker und schwacher Schüler innerhalb einer Klasse, bräuchte es ohne neue, digitale Möglichkeiten noch mehr Lehrkräfte. So bekämpft die Digitalisierung zwar nicht den Lehrermangel, ermöglicht aber mit der vorhandenen Anzahl an Lehrkräften einen besseren, weil individuelleren Unterricht.

Entscheider kompakt: Wie kann im hochsensiblen Milieu Schule die Sicherheit von Daten garantiert werden?

Thorsten Beuchel: Datenschutz ist kein alleiniges Thema der Digitalisierung. Datenschutz ist relevant sowohl in der analogen wie in der digitalen Welt. Auch ist Schule nicht mehr und nicht weniger ein hochsensibles Milieu wie Krankenhäuser oder Stadtwerke. In diesem Sinne ist Datenschutz absolut. Grundlegend ist es jedoch falsch zu denken, dass Sicherheit garantiert werden könnte. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Zumindest nicht dort, wo Menschen auf Daten zugreifen und mit ihnen arbeiten. Die Diskussion um die DSGVO sensibilisiert sehr stark für das Thema Datenschutz, wodurch eine Lösungsfindung nicht nur verzögert, sondern auch behindert wird, da es immer um 100%-Garantien geht.
Beim Einsatz von State-of-the-Art-Technologien und Prozessen mit den entsprechenden Rollendefinitionen ist die Sicherheit zumindest hardwareseitig gegeben, es geht auch darum, wer die Hoheit und Souveränität über die Daten hat. Insgesamt also ein komplexes Thema, welches man den Spezialisten überlassen sollte, ohne zu vergessen, dass alle Lösungen auch in der Realität funktionieren und akzeptiert werden müssen.

Entscheider kompakt: End-to-End Prozessorganisation soll sicherstellen dass alle Bereiche bestmöglich auf ein gemeinsames Ziel fokussiert zusammenarbeiten. Lassen sich in Wirtschaftsunternehmen erprobte Verfahrensweisen auf den Schulsektor übertragen?

Thorsten Beuchel: Auf jeden Fall. Dort sind zahlreiche erprobte Konzepte im Einsatz, die sich auf Schulen übertragen lassen. Das ist nicht zuletzt der großen Standardisierungswelle zu verdanken, die in der Wirtschaft in den letzten Jahren stattgefunden hat. Technisch gibt es zunächst keine Besonderheiten in der Schule, nur Nutzer und Nutzung unterscheiden sich. Deswegen: Ganz wesentlich ist nicht nur eine End-to-End Prozessorganisation, es wird auch eine End-to-End-Story für die Nutzer benötigt, wobei hier mit Schülern, Lehrenden und Eltern mindestens drei Nutzergruppen beachtet werden müssen.

Entscheider kompakt: Im Kinderzimmer, im Schwimmbad oder wo auch immer: Wird in der Schule der Zukunft nur noch online gelernt?

Thorsten Beuchel: Das denke ich nicht. Es gibt zwischen analogem und digitalem Lernen kein Entweder-oder, sondern beide Formen ergänzen sich. Was wann einzusetzen ist, entscheidet der individuelle Mehrwert innerhalb des pädagogischen Konzepts.

Entscheider kompakt: Wir bedanken uns für das Gespräch.

Hinweis der Redaktion: Die Bechtle AG ist auf der dikomm Zukunft digitale Kommune am 5. November in der Messe Essen vertreten. Diese Veranstaltung richtet sich an Bürgermeister, Dezernenten aber auch an Schulleiter in Nordrhein-Westfalen. Parallel dazu findet der DIGITAL FUTUREcongress statt. Weitere Informationen finden interessierte Leser hier: https://dikomm.de/de/ oder hier: https://essen.digital-futurecongress.de/de/

 

 

 

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