Zukunftsinterview mit Dr. Martin-Niels Däfler

Zukunftsinterview mit Dr. Martin-Niels Däfler

Zukunftsinterview mit dem Keynote Speaker des DIGITAL FUTUREcongress 2021/09, Dr. Martin-Niels Däfler, Professor an der FOM in Frankfurt/Main

Als Autor von 20 Büchern, wie z.B. “Die Torero-Technik”, “Gib mir Geduld aber flott” oder “Das Passwort fürs Leben heißt Humor”, hat Prof. Dr. Martin-Niels Däfler fast ausschließlich 5-Sterne-Bewertungen auf Amazon. Der Autor von über 170 Fachartikeln ist zudem hauptamtlicher Professor an der FOM Hochschule in Frankfurt am Main und hat mehr als 25 Jahre Berufserfahrung als Redner, Trainer und Coach. In seinen Keynotes oder als Berater bei zahlreichen Konzernen sowie mittelständischen Unternehmen und Verbänden spricht er wissenschaftlich fundiert, ohne akademische Allüren und frei von “esoterischem Geschwafel”, wie er es nennt. Im Interview mit DIGITAL FUTUREmag Herausgeber Michael Mattis lesen Sie in der aktuellen Ausgabe ein spannendes Interview mit dem 1969 in Mainz geborenen “umtriebigen Professor” über Megatrends, die Gründe für die Beschleunigung des Veränderungstempos, die Umstellung in den Bereichen HR, der Bedarf an neuen Fertigkeiten und den damit verbundenen Kompetenzen für Unternehmen sowie MitarbeiterInnen.

Michael Mattis: Zuerst möchte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie sich bei all Ihren Projekten die Zeit nehmen, mit mir über die digitale Zukunft und Megatrends zu sprechen und wichtige Themen, gerade auch für den deutschen Mittelstand, einmal etwas genauer anzuschauen. Lassen Sie mich mit einer Frage starten, die mich persönlich interessiert: Was ist Ihr persönlicher Antrieb, die vielen Projekte, Bücher und Beiträge voranzutreiben und mit dieser hohen Schlagzahl immer wieder neue Projekte an den Start zu bekommen?

Dr. Martin-Niels Däfler: Sicherlich kennen Sie den – zugegebenermaßen etwas abgedroschenen – Spruch „Suche dir einen Job, den du liebst und du musst nie wieder arbeiten.“ Bei mir ist es tatsächlich so, dass ich meine Arbeit, egal ob als Hochschullehrer, Speaker, Autor oder Trainer noch nie als Belastung angesehen habe. Ganz im Gegenteil – ich kann es morgens kaum abwarten, an den Schreibtisch zu kommen. Ich weiß, dass ich als Selbstständiger ein hohes Maß an Autonomie habe, über das viele Angestellte nicht verfügen. Wahrscheinlich sind es diese Freiheitsgrade, die mich motivieren. Für dieses Privileg bin ich äußerst dankbar. Genauso wie für die Tatsache, dass mich meine Studierenden, SeminarteilnehmerInnen und Coaches immer wieder inspirieren – mit ihren Fragen und Anmerkungen liefern sie mir ständig neue Ideen.

Michael Mattis: Als Leiter der BVMW Wirtschaftsregion Südhessen und als Veranstalter des DIGITAL FUTUREcongress habe ich Kontakt mit vielen mittelständischen Unternehmen. Das Thema Nachhaltigkeit spielt für immer mehr UnternehmerInnen und EntscheiderInnen eine immer größere Rolle. Es gibt eine Vielzahl von Megatrends. Welche sind für Sie persönlich die wichtigsten?

Dr. Martin-Niels Däfler: Nachhaltigkeit ist zweifelsfrei einer der wichtigsten Megatrends. Klar, dass demografische Entwicklung, Gesundheit und Energiewende auch dazu gehören. Und dass die Digitalisierung irgendwann mal abgeschlossen sein wird, dürfen wir getrost als Irrglauben bezeichnen. Das alles haben die meisten Mittelständler meines Erachtens gut verstanden. Was für mich jedoch noch nicht so wirklich in den Köpfen angekommen ist: Antworten auf die Megatrends zu finden, bedeutet weit mehr, als neue Produkte zu schaffen oder Prozesse zu reorganisieren. Ganz unabhängig davon, welchen Megatrend wir ins Visier nehmen: Es heißt doch stets, etwas im Unternehmen zu ändern. Also ist es letztlich gar nicht mal so sehr die Frage, welche Megatrends von Relevanz sind. Morgen werden es vermutlich andere sein, als wir heute denken. Viel entscheidender ist die Art, wie wir damit umgehen und darauf reagieren. Offen für Veränderungen zu sein – das ist für mich der Meta-Megatrend.

Michael Mattis: Corona war für viele Unternehmen und Entwicklungen ein Katapult. Von jetzt auf gleich wurden Videokonferenzen durchgeführt als wäre es das normalste der Welt. MitarbeiterInnen arbeiteten vom Home-Office aus und manche Unternehmen waren verblüfft, wie einfach das doch geht. Das war fast wie eine Verjüngungskur für viele Unternehmen. Andere hatten große Schwierigkeiten und haben es noch. Doch Videokonferenzen abzuhalten ist noch keine Digitalisierung. Wie schaffen wir es, die Geschwindigkeit des Veränderungstempos aufrechtzuerhalten, in die richtige Richtung zu steuern und dabei möglichst viele Unternehmen und MitarbeiterInnen mitzunehmen?

Dr. Martin-Niels Däfler: Schauen Sie: Das ist genau der Punkt, den ich gerade ansprach. Offen für Veränderungen zu sein. Klar ist, dass es große interindividuelle Unterschiede gibt. Der/Die Eine ist von Natur aus neugierig und steht dem Wandel aufgeschlossen gegenüber. Der/Die Andere ist von der Persönlichkeitsstruktur her eher risikoavers und ein/e UnsicherheitsvermeiderIn. Neben dem tief in unserem Charakter wurzelnden Umgang mit Veränderungen kommt noch die unternehmenskulturelle Dimension hinzu. Und die ist die Einzige, die wir beeinflussen können. Machen wir uns nichts vor: ArbeitgeberInnen können keine Menschen ändern und sollten es auch gar nicht. Das ist zum Scheitern verurteilt, auch wenn dies kaum einer wahr haben will, erst recht nicht die ganze Beratungs- und Coachingbranche.

Wenn es also darum geht, das Veränderungstempo aufrecht zu erhalten bzw. möglichst große Teile der Belegschaft für das Neue zu gewinnen, dann brauchen wir keine Seminare, sondern wir müssen an anderen Punkten ansetzen, wie etwa bei der Einstellungs- und Beförderungspolitik. Wer kommt mit an Bord? Wer wird zur Führungskraft? Konservative BedenkenträgerInnen oder innovative Out-of-the-Box-DenkerInnen?

Michael Mattis: Um zukünftig auch im Wettbewerb erfolgreich zu sein, sind neue, andere Kompetenzen für Unternehmen und MitarbeiterInnen gefragt. Welche Fertigkeiten sind in Ihren Augen in den kommenden Monaten und Jahren die wichtigsten?

Dr. Martin-Niels Däfler: Jetzt haben Sie ein Thema angeschnitten, über das ich stundenlang sprechen könnte. Ich schreibe nämlich genau dazu gerade ein Buch. Ich will mich dennoch kurzfassen. Unabhängig davon, in welcher Branche man Zuhause ist und wie viele MitarbeiterInnen man hat: Innovationskraft und Geschwindigkeit sind die zentralen Erfolgsfaktoren. Was bedeutet das? Das heißt vor allem, dass klassische, hierarchische Unternehmenskulturen ein Auslaufmodell sind. Gefragt sind stattdessen dynamische Strukturen. Das wiederum hat zur Konsequenz, dass die MitarbeiterInnen und Führungskräfte ebenfalls „dynamisch“ – ich vermeide übrigens bewusst den aus meiner Sicht etwas zu inflationär verwendeten Begriff „agil“ – sein müssen. Dies bringt uns schließlich zu der Erkenntnis, dass Eigenschaften, wie Veränderungsfähigkeit, Spaß am (lebenslangen) Lernen, Kreativität, Teamfähigkeit und Eigenständigkeit wichtiger werden.

Michael Mattis: Im gesamten Recruiting-Prozess müssen diese Kompetenzen erst einmal gefunden werden. Ich glaube persönlich, dass es wichtiger ist, Menschen in das Unternehmen zu holen, die menschlich gut in die Kultur des Unternehmens passen, da man die Fertigkeiten sicher auch lernen und trainieren kann. Damit kommt dem Bereich “Lernen” eine besondere Bedeutung zu. Das führt mich zu einer weiteren, für mich spannenden Frage. Wie können Unternehmen den enormen Lernbedarf der Mitarbeitenden sowie der gesamten Organisation optimal gestalten, damit alle MitarbeiterInnen möglichst auch in Zukunft dem Unternehmen emotional verbunden bleiben?

Dr. Martin-Niels Däfler: Da stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu. Wahrscheinlich kennen Sie das Zitat von Herb Kelleher, einem der Gründer von Southwest Airlines: „Hire for attitude, train for skills”. Kompetenzen kann man sich aneignen, die „richtige” Einstellung lässt sich nur schwerlich herbeiführen. Entweder man hat sie oder eben nicht.

Vorausgesetzt, die HR-Politik basiert auf diesem Grundsatz, ist dennoch eine Menge Arbeit zu leisten, gilt es doch, das Handwerkszeug zu erlernen. Es ist beispielsweise ja nicht damit getan, grundsätzlich ein kreativer Typ zu sein, wenn ich nicht gleichzeitig ein paar Innovationsmethoden beherrsche. Auch der noch so aufgeschlossene Mitarbeiter wird eine neue Software nicht intuitiv bedienen können, sondern benötigt eine Unterweisung.

Um Ihre Frage konkret zu beantworten: Die Personalentwicklung wird sicherlich einen Bedeutungszuwachs erfahren. Hierbei geht es jedoch nicht darum, nach dem Gießkannen-Prinzip Schulungen anzubieten. Für jede/n MitarbeiterIn sollten individuelle Lernpläne erarbeitet werden, denen ein personalisiertes Ideal-Kompetenzprofil zugrunde liegt. Im besten Fall berücksichtigt der Lernplan den Lerntypus der MitarbeiterInnen. Manche eignen sich neuen Stoff besser in Präsenzveranstaltungen an, andere über Onlinekurse und Dritte über Learning by Doing.

Michael Mattis: Die Prioritäten nachfolgender Generationen ändern sich. Als Professor der FOM haben Sie mit mehreren Generationen gleichzeitig zu tun. Oft wird empfohlen, Teams im Unternehmen gemischt aufzustellen. Jüngere und ältere MitarbeiterInnen genauso zu mischen, wie die unterschiedlichen Geschlechter. Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen und was können Sie Unternehmen konkret empfehlen, damit sie auf der einen Seite Kompetenzen optimal aufbauen und gleichzeitig dynamisch und lernfähig bleiben?

Dr. Martin-Niels Däfler: Genau – dieser Aspekt wird beim Lernen gern übersehen. Es geht ja nicht nur um das formale, geplante Lernen, sondern auch das implizite Lernen, wenn sich etwa der ältere Mitarbeiter bei der jüngeren Kollegin abschaut, wie diese mit einem bestimmten Programm umgeht. Oder umgekehrt: Dass BerufseinsteigerInnen wertvolle Tipps von erfahrenen ExpertInnen bekommen. Insofern sind heterogene Teams empfehlenswert. Dies gilt grundsätzlich immer dann, wenn vornehmlich neue Aufgabenstellungen zu bearbeiten sind und es auf Kreativität ankommt. Anders sieht es aus, wenn überwiegend Routinejobs zu erledigen sind. Dann spielt Diversität keine so wichtige Rolle.

Michael Mattis: Das Thema Digitalisierung ist längst ein Querschnittsthema über alle Unternehmensgrößen und Branchen hinweg. Von Handwerkersbetrieben bis hin zum großen Konzern digitalisieren alle Unternehmen mehr oder weniger. Was hält uns eigentlich davon ab, althergebrachte Prozesse im Unternehmen einmal konkret anzuschauen und zu digitalisieren, um damit letztendlich Kosten und Lebenszeit zu sparen? Wie können wir den Turbo bei der Digitalisierung einschalten?

Dr. Martin-Niels Däfler: Nun, es geht, glaube ich, nicht darum, jetzt alles im Hau-Ruck-Verfahren zu digitalisieren. Zuvor sollte man ganz klassisch die Prozesse analysieren. Thorsten Dirks, CEO von Telefónica Deutschland, hat das mal sehr hemdsärmelig so ausgedrückt: „Wenn Sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben Sie einen scheiß digitalen Prozess.“

Hinzu kommt, dass beileibe nicht alles Alte schlecht ist. Die vorhandenen Abläufe sind ja das Resultat oft jahrzehntelanger Erfahrungen. Es sollte systematisch ermittelt werden, welche Digitalisierungsvorhaben welchen Nutzen bringen. Mit einer Pain-Gain-Matrix lässt sich recht gut herausfinden, welche Prozesse für eine Digitalisierung prädestiniert sind.

Michael Mattis: Auf dem nächsten DIGITAL FUTUREcongress vom 27. bis 29. September 2021 sind Sie als Keynote-Speaker mit dabei und ich habe mich persönlich sehr über Ihre Zusage gefreut. Was bedeutet es für Sie, auf einer Bühne zu stehen und zu sprechen und welche drei wichtigsten Impulse würden Sie gerne jedem Unternehmer und Unternehmerin für den digitalen Wandel im Unternehmen an die Hand geben?

Dr. Martin-Niels Däfler: Ich denke, jede/r RednerIn und TrainerIn liebt das Rampenlicht, das unmittelbare Feedback der TeilnehmerInnen und die besondere Atmosphäre, die üblicherweise herrscht. Da geht es mir nicht anders. Was für mich noch hinzukommt, sind die Begegnungen vor und nach einem Vortrag. Vom Veranstalter, über die TechnikerInnen bis hin zu den ZuhörerInnen lernt man immer wieder neue Menschen kennen. Da entwickeln sich oft spannende Gespräche.

Zu den drei Impulsen:

Begehen Sie nicht den Ersten-Hemdenknopf-Fehler. Sie kennen das: Man ist noch verschlafen und knöpft das Hemd falsch zu – am Ende erkennt man das und muss nochmal von vorne anfangen. Das bedeutet: Wenn Sie Ihre MitarbeiterInnen für das Neue begeistern wollen, wenn Sie sie zu Mitstreitern bei der Digitalisierung machen wollen, dann sollten Sie richtig beginnen. Und das heißt vor allem, sich Zeit zu nehmen, die Hintergründe zu erläutern. Warum machen wir auf einmal alles anders? Wenn die MitarbeiterInnen nachvollziehen können, weshalb sich etwas ändert, dann sind sie viel eher bereit, den Wandel mit zu gestalten.

Machen Sie sich klar, dass Sie ein Vorbild sind. Sie werden Ihr Unternehmen nur dann erfolgreich in die digitale Zukunft führen können, wenn Sie selbst veränderungsoffen sind. Ihre Belegschaft spürt schnell, ob es sich um Lippenbekenntnisse handelt oder um eine echte Überzeugung. Menschen machen nicht das, was man ihnen sagt, sondern was man ihnen vorlebt.

Laufen Sie nicht jedem Trend hinterher. Es ist zweifelsfrei sehr schwer, kurzfristige Moden von langfristigen Entwicklungen zu unterscheiden. Nach meiner Erfahrung ist größte Vorsicht immer dann geboten, wenn ein Thema zu schnell an Fahrt aufnimmt. The Alan Parsons Project haben das vor über 40 Jahren schon so treffend besungen: „What goes up must come down“. Trotz aller Notwendigkeit zur raschen Digitalisierung sollten sich UnternehmerInnen nicht unter Druck setzen lassen und sich Zeit für ihre Entscheidungen nehmen. Dabei hilft übrigens eine Flasche Rotwein ganz ausgezeichnet.

Michael Mattis: Herzlichen Dank für dieses spannende Interview und Ihre Zeit. Ich freue mich sehr auf die Keynote und Ihre damit verbundenen Impulse.

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