Im Interview mit Roman Pusep, Rechts- und Fachanwalt für IT-Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Externer Datenschutzbeauftragter bei WERNER Rechtsanwälte Informatiker.
WERNER Rechtsanwälte Informatiker ist eine etablierte Kanzlei, die sich auf die Verschmelzung von Recht und Technologie spezialisiert hat. Ihr Fokus liegt darauf, Unternehmen und Organisationen in einer sich rasant wandelnden digitalen Welt zu unterstützen. Hierbei werden verschiedene Themenbereiche abgedeckt, darunter Datenschutz, Cybersecurity, IT-Vertragsrecht sowie geistiges Eigentum. Die Kanzlei WERNER Rechtsanwälte Informatiker hat sich zum Ziel gesetzt, ihren Mandanten nicht nur rechtliche Absicherung zu bieten, sondern auch innovative Lösungsansätze für die Potenziale der digitalen Transformation zu entwickeln. Im Interview mit Roman Pusep Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht, sprechen wir heute insbesondere über Digitalisierungsstrategien im Mittelstand, gute IT-Vertrag, Nutzungsrechte, Vergütung und Preisanpassung und wirklich gute Exit-Strategien.
DIGITAL FUTUREmag: Herr Pusep, lassen Sie uns zuerst über sinnvolle Digitalisierungsstrategien im Mittelstand sprechen. Welche Rolle spielt die rechtliche Beratung bei der Entwicklung einer umfassenden Digitalisierungsstrategie für Unternehmen?
Roman Pusep: Bei einer umfassenden Digitalisierungsstrategie ist es für Unternehmen essenziell, die betroffenen Prozesse zu erkennen, zu strukturieren und zu planen. Eine Bestandsaufnahme der Prozesse ist ebenso essentiell, wie den Markt zu erkunden, um einen passenden Anbieter oder ein passendes IT-Produkt für die Bedürfnisse des Unternehmens zu finden. Die rechtliche Expertise sollte spätestens bei der Beurteilung der Anbieter oder der IT-Produkte herangezogen werden, um kosten-, produktions- und haftungsrelevanten Themen wie Nutzungsrechte, Vergütung, Vertragsanpassungen und Kündigungsrechte zu beleuchten und zu gestalten. Selbstverständlich können auch bereits vor der Markterkundung bestimmte vertragliche Themen mit Rechtsexperten besprochen werden, damit die Markterkundung noch zielgerichteter erfolgt.
DIGITAL FUTUREmag: Wie können Unternehmen sicherstellen, dass ihre Digitalisierungsstrategie mit geltenden Datenschutzvorschriften und anderen rechtlichen Bestimmungen in Einklang steht?
Roman Pusep: Die Sensibilisierung der Unternehmensleitung und der Mitarbeiter sowie regelmäßige Schulungen sind wichtige Maßnahmen, um die Datenschutzvorschriften einzuhalten und umzusetzen. Es ist ratsam, dass sich die verantwortlichen Unternehmen Gedanken darüber machen, welche personenbezogenen Daten für das operative Geschäft tatsächlich benötigt werden, warum bzw. auf welcher Grundlage diese verarbeitet werden sollen. Die Überprüfung und Nachjustierung der Datenschutzthemen sollte nicht unterschätzt werden. Leicht anmutende Themen, können es datenschutzrechtlich durchaus in sich haben, wie die organisatorisch technischen Maßnahmen oder ein Löschkonzept oder die Hinweispflichten bzw. Datenschutzhinwiese oder schließlich eine Einwilligung. Welche anderen rechtlichen Bestimmungen bei einer Digitalisierungsstrategie relevant sind, ist produkt- und branchenbezogen. Wenden Sie sich an einen Fachanwalt für IT-Recht oder eine Fachanwältin für IT-Recht und erörtern Sie die Details. Bezüglich des Datenschutzes ist ein Datenschutzbeauftragter auch eine sehr gute Anlaufstelle. In guten Projekten arbeiten beide Berufsgruppen Hand in Hand.
DIGITAL FUTUREmag: Gute IT-Verträge sind extrem wichtig für eine langfristige erfolgreiche Unternehmensentwicklung. Was sind die Schlüsselelemente, die in einem guten IT-Vertrag berücksichtigt werden sollten, um die Interessen beider Parteien zu schützen?
Roman Pusep: Die Schlüsselelemente sind viele, daher an dieser Stelle nur eine kleine Auswahl: klare Pflichtenverteilung, klare Regelung über Leistungspflichten des IT-Anbieters, klare Mitwirkungspflichten des Auftraggebers, eine verbindliche Zeitschiene und eine Exit-Strategie für den Fall, dass das Projekt scheitert.
DIGITAL FUTUREmag: Wie kann ein IT-Vertrag flexibel gestaltet werden, um auf sich ändernde Anforderungen und Entwicklungen im IT-Bereich reagieren zu können?
Roman Pusep: Es gibt mehrere Instrumente, die den Unternehmen bei Entwicklungen im IT-Bereich im Rahmen von Projekten verhelfen: Einerseits kann der Vertrag auf Flexibilität ausgelegt werden. Dies ermöglichen agile Projektmethoden, deren besondere Abläufe, Regeln und Rollen im Vertrag abgebildet werden sollten. Andererseits ist es für die Unternehmen möglich, durch so genannte Change-Request-Verfahren, auf einen geänderten Bedarf angemessen und vor allem planbar reagieren zu können. Als letzte Möglichkeit, auf Veränderungen zu reagieren, sind die Sonderkündigungsrechte von vorne herein zu vereinbaren und notfalls die Zusammenarbeit gänzlich zu beenden.
DIGITAL FUTUREmag: Das Thema Nutzungsrechte ist in der IT maßgeblich. Welche rechtlichen Überlegungen sind bei der Übertragung von Nutzungsrechten für Software oder andere digitale Lösungen zu berücksichtigen?
Roman Pusep: Aus der Sicht des Anbieters: Er sollte vorsichtig sein, d.h. nicht zu viele Rechte übertragen. Bei der Übertragung von exklusiven (= ausschließlichen) Rechten ist große Zurückhaltung geboten. Wenn der Anbieter „sämtliche“ Nutzungsrechte an einer App überträgt, kann er zum einen nachträglich keinen Preisnachschlag nehmen (z.B. HR-Software bei Wachstum der Mitarbeiteranzahl). Zum anderen darf er womöglich diese Software und darin enthaltene Code-Zeilen nie wieder (!) verwenden, was zur Existenzgefährdung führen könnte. Auf der Seiten des Auftraggebers: Er sollte genau analysieren, welche Nutzungsrechte aktuell und in Zukunft operativ gebraucht werden oder werden könnten. Diese sollten im Vertrag vollständig und richtig abgebildet sein. Will z.B. der Kunde die Software selbst anpassen, müssen ihm entsprechende Quellcoderechte gewährt werden; will er das Unternehmen oder Teile davon verkaufen, sollte auch hier geprüft werden, ob dies lizenzrechtlich geht; auch die HomeOffice-Arbeit sollte durchdacht werden: Dürfen Mitarbeiter die Software von Überall wirklich nutzen? Gleiches gilt auch beim IT-Outsourcing.
DIGITAL FUTUREmag: Wie können Unternehmen sicherstellen, dass sie die erforderlichen Nutzungsrechte besitzen, um Software oder digitale Inhalte in ihrem Geschäftsumfeld zu verwenden?
Roman Pusep: Lesen Sie die Verträge der Anbieter sorgsam, versuchen Sie alles zu verstehen. Wenn Sie unsicher sind, weil die Klauseln für juristische Laien (und manchmal auch für uns Anwälte) nicht zweifelsfrei nachvollziehbar sind, ziehen Sie einen Experten hinzu. Falls erforderlich, treffen Sie eine Individualvereinbarung bezüglich der Nutzungsrechte. Das Gesetz sieht zwar auch ohne einen Vertrag eine gewisse Rechteeinräumung vor (Fachbegriff: Zweckübertragungslehre); es ist jedoch fahrlässig, sich auf etwas so unsicheres einzulassen und erst recht zu verlassen.
DIGITAL FUTUREmag: Im Vorfeld hatten wir uns bereits über die Vergütungen und Preisanpassungen in der IT unterhalten. Welche Strategien und Vereinbarungen sind sinnvoll, um eine faire Vergütung für IT-Dienstleistungen sicherzustellen?
Roman Pusep: Objektiv könnte man sicherlich die faire Vergütung für beide Seiten bestimmen, wenn alle relevanten Kriterien bekannt wären. Dies ist aber utopisch. Es gilt daher unangemessene Benachteiligungen zwischen den Vertragsparteien zu vermeiden: Der Auftraggeber sollte sich gegen Überzahlung schützen und der Auftragnehmer sollte vermeiden, das mehr Nutzen aus seinem IT-Produkt gezogen wird, als es angemessen wäre. Im Detail ist die Antwort auf diese Frage sehr einzelfallbezogen und muss konkret analysiert und beantwortet werden.
DIGITAL FUTUREmag: Wie kann eine angemessene Preisanpassung in langfristigen IT-Verträgen gewährleistet werden, insbesondere vor dem Hintergrund technologischer Entwicklungen?
Roman Pusep: Soweit die Unternehmen künftige Prozessentwicklungen identifizieren können, können Juristen dies auch in den IT-Verträgen entsprechend regeln. Wenn aber eine Prognose nicht möglich ist, schlägt die Stunde der juristischen Phantasie und Kreativität. Hier geht es darum, möglichst abstrakt aber dennoch präzise genug etwas zu beschreiben, worauf man in Zukunft bauen kann. Mal gelingt es und mal gelingt es nicht; niemand hat eine Glaskugel! Hilfreich ist im Urheberrecht jedenfalls eine Regelung, wonach auch unbekannte Nutzungsarten direkt mitübertragen werden können.
DIGITAL FUTUREmag: Zu guter Letzt möchte ich gerne noch auf das Thema Exit-Strategien eingehen. Welche Empfehlungen haben Sie für Unternehmen, die eine Exit-Strategie für ihre IT-Lösungen entwickeln möchten?
Roman Pusep: Ich empfehle, dass die Unternehmen das Scheitern aktiv durchdenken. Wenn die Unternehmen pro-aktiv überlegen, an welchen Punkten ein Projekt scheitern kann und Lösungen in den verschiedenen Projektphasen vorsehen, ist die Beendigung deutlich unproblematischer umzusetzen. Bereits bei den ersten Workshops zu den Prozessen und in der Discovery-Phase mit dem IT-Dienstleister, sollte klar sein, was das Unternehmen mit welchem IT-Produkt erreichen will oder, ob eine individuelle Lösung nötig ist. Im Laufe des Projekts ist es für beide Seiten sehr sinnvoll, Sonderkündigungsrechte zu haben. Schließlich sollte vor Projektbeginn geklärt sein, was nach dem Exit passiert: Schuldet der Anbieter z.B. Migrations- oder Consultingleistungen. Ein verbindliches Angebot über ein Stundenkontingent und über die Höhe der Stundenpreise sollte ebenfalls bereits frühzeitig vorliegen. Das erspart ein späteres Taktieren und auch Ärger auf beiden Seiten.
DIGITAL FUTUREmag: Das war spannend! Herzlichen Dank für Ihre Zeit und die wertvollen Antworten.