Vom Energie- und Wasserversorger zum kommunalen Vorzeigeunternehmen für die Digitalisierung

Vom Energie- und Wasserversorger zum kommunalen Vorzeigeunternehmen für die Digitalisierung

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Im Interview mit Frank Kindervatter, Vorstandsvorsitzender der NEW AG

Die NEW AG ist ein kommunales Dienstleistungsunternehmen mit starker Verbundenheit zum Niederrhein. Sie beliefert ihre Kundschaft mit Strom, Gas und Wasser. Die NEW steht für eine partnerschaftliche, regionale und innovative Energie- und Wasserversorgung. Anders als klassische Versorgungsunternehmen, betreibt die NEW zudem den öffentlichen Nahverkehr, das öffentliche Kanalnetz in Mönchengladbach und Viersen, sowie mehrere Bäder in der Region. Ziel der NEW ist es, bis 2025 digitales Vorzeigeunternehmen zu werden. Dazu wurde unter der Führung von Herrn Frank Kindervatter eine Digitalisierungsstrategie erarbeitet, die nun Stück für Stück umgesetzt wird, um in ganz Deutschland den KundInnen einen optimalen Service bieten zu können. In einem spannenden Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden der NEW sprechen wir heute über den strategischen Umbau eines Energiedienstleisters, die Umsetzung einer Innovations- und Digitalisierungsstrategie sowie wichtige Handlungsfelder in der Energiewirtschaft.


DIGITAL FUTUREmag: Was sind derzeit die größten Herausforderungen für Stadtwerke und Versorger?

Frank Kindervatter: Als Versorger müssen wir uns derzeit drei wichtigen Bereichen widmen, die unsere Zukunft und unser Geschäftsmodell maßgeblich mitentscheiden werden: die Energiewende, die Wärmewende und die Verkehrswende. Indem wir uns dessen bewusst sind und in neue Felder investieren, wollen wir unseren Beitrag dazu leisten, die Themen voranzutreiben. Wir befassen uns derzeit zum Beispiel stark mit den Themen selbstversorgende Quartiere, Digitalisierung in den Netzen oder Ladeinfrastruktur in der Region. Um all das jedoch umsetzen zu können, benötigen wir eine konsequente Digitalisierung!

DIGITAL FUTUREmag: Was sind die Kernpunkte der NEW Digitalisierungsstrategie?

Frank Kindervatter: 2017 haben wir uns mit der Digitalisierungsstrategie zum Ziel gesetzt, digitales Vorzeigeunternehmen bis 2025 zu werden. Wir sehen die Digitalisierung nicht als Selbstzweck, sondern als Chance, uns zu flexibilisieren. All unsere MitarbeiterInnen haben ein Smartphone von uns erhalten, ohne das sie nicht arbeitsfähig sind: Sie arbeiten beispielsweise über unsere Mitarbeiterapp, öffnen die Türen, erhalten die Lohn- und Gehaltsabrechnungen darüber und ich bearbeite so Beschaffungsfreigaben und Prozesse, indem ich per Fingerabdruck unterschreibe. Verträge in Papierform werden von mir nicht mehr unterschrieben. All das, was nicht über Smartphones oder Laptops funktioniert, werden wir in den kommenden Jahren nicht mehr machen. Alle Prozesse werden komplett digitalisiert. Nur wer konsequent seine Strategie umsetzt, wird erfolgreich sein. Das ist für mich keine Floskel, sondern Tatsache.

DIGITAL FUTUREmag: Welche Widerstände haben Sie dazu im eigenen Unternehmen gespürt?

Frank Kindervatter: Neue Ziele und Visionen bedeuten immer Veränderung. Das begrüßen nicht alle mit offenen Armen. Darüber war ich mir von Anfang an im Klaren, dass nicht jede/r mitmachen wird. Es gilt jedoch, die Befürwortenden zu bestärken und gemeinsam mit ihnen den Weg zu bestreiten. Das klappt bisher wunderbar.

DIGITAL FUTUREmag: Die NEW AG bietet neben der Energie- und Wasserversorgung auch viele klassische Dienstleistungen an, wie zum Beispiel den öffentlichen Nahverkehr oder den Bäderbetrieb. Inwiefern sind solche Bereiche in der Gesamtstrategie inkludiert?

Frank Kindervatter: Wir denken unsere einzelnen Einsatzbereiche in jeder Facette unserer Digitalisierungsstrategie mit. Denn Digitalisierung am Arbeitsplatz findet ganz bestimmt nicht nur im Büro statt! Ganz im Gegenteil: Dadurch, dass alle rund 2.200 MitarbeiterInnen – also von den BusfahrerInnen bis zu den Verwaltungsfachleuten – ein Smartphone erhalten haben, sind wir viel effizienter. Als kleines Beispiel für den Fahrbetrieb: Früher haben die KollegInnen ihre Dienstpläne auf Papier in den Diensthöfen ablesen müssen, heute schauen sie mit einem Klick auf das Smartphone. MonteurInnen können noch Zwischentermine wahrnehmen, die spontan als Auftrag hereingekommen sind, indem sie alle relevanten Informationen direkt als Aufgabe auf ihrem Smartphone zugeschickt bekommen. Sie erfassen den Vorfall per Foto, schreiben kurze Notizen hinzu und schon ist der Auftrag abgeschlossen, sodass die Verwaltung ihn weiterverarbeiten kann. In unseren Bädern laufen alle Prozessketten rund um die Wartung und Inbetriebnahme ebenfalls mit den digitalen Endgeräten. Ich könnte noch viel mehr Beispiele nennen, die jedoch den Rahmen sprengen würden.

DIGITAL FUTUREmag: Wie weit sind Sie derzeit mit der Umsetzung ihrer Innovations- und Digitalstrategie?

Frank Kindervatter: Bis 2025 dauert es noch ein wenig, aber wir sind auf einem sehr guten Weg. Wir haben deutlich mehr Prozesse digitalisieren können als ursprünglich erwartet. Es kommen täglich neue Prozesse hinzu, da erst bei der Umstellung auffällt, wie viele Prozessketten noch hinten dranhängen. Als kommunales Dienstleistungsunternehmen müssen wir uns also definitiv nicht verstecken! In den kommenden zwei Jahren widmen wir uns noch stärker dem Thema Big Data. Viele Prozesse wurden bereits intern umgesetzt. Mein Wunsch ist es jedoch, diese konsequente Denkweise auch nach außen zu tragen, beispielsweise in unserer Zusammenarbeit mit Lieferanten – das klappt derzeit nicht überall. Ich bin jedoch sehr optimistisch!

DIGITAL FUTUREmag: Welche Vorteile versprechen Sie sich langfristig für das Unternehmen und die damit verbundenen Eigenbetriebe?

Frank Kindervatter: Wir können nur Wachstum sichern, indem wir für unsere Prozesse und Produkte ausschließlich in digitalen Lösungen denken – intern als auch extern. Nur wer Prozesse optimiert, Trends frühzeitig erkennt und die KundInnen mit innovativen Produkten und Services begeistert, wird überlebensfähig sein. Unser Selbstverständnis ist dann auch nicht mehr das eines reinen Versorgers, sondern eines 360°-Dienstleisters: die KundInnen sollen alles aus einer Hand erhalten.

DIGITAL FUTUREmag: Die NEW AG geht, um ihre Ziele zu erreichen auch Beteiligungen an Unternehmen ein, um zukunftsfähige Konzepte, wie CO2-freie Quartiere zu verfolgen. Wie treffen Sie hier die Auswahl und welchen Effekt hat das Ganze auf die Geschwindigkeit der Umsetzung Ihrer Strategie?

Frank Kindervatter: Wir beteiligen uns an Unternehmen mit innovativen Geschäftsmodellen, deren zukünftige wirtschaftliche Chancen uns einen hohen Ergebnisbeitrag liefern können und die Antwort auf große Herausforderungen sind. Neue Geschäftsmodelle beleben das Geschäft. Wir arbeiten mit vielen Start-Ups zusammen, die immer wieder neue Impulse und Serviceideen liefern. Ein Beispiel: Die Stadtentfalter GmbH, die aus unserer Partnerschaft mit der Avacon AG entstand. Die Stadtentfalter bündeln das Wissen um Strom, Wärme, Abfallentsorgung, Kommunikation und Mobilität, um 360°-Lösungen für nachhaltige Wohnquartiere anzubieten. Gemeinsam konnten schon große Projekte, wie die Mönchengladbacher Seestadt geplant werden. Künftig soll es in die Umsetzung gehen und weitere spannende Projekte sind in Planung.

DIGITAL FUTUREmag: Wagen wir gemeinsam einen Blick in die Zukunft. Welche Rolle spielt die NEW AG in fünf Jahren in Deutschland?

Frank Kindervatter: In die Zukunft zu blicken, ist gerade hinsichtlich der Digitalisierung nicht immer ganz so einfach. Aber wenn ich eine Sache an ihr liebe: Dass sie so schnelllebig ist. Wir können unser Morgen zwar beeinflussen, aber wir können es definitiv nicht vorhersehen. Ich erhoffe mir, dass wir in fünf Jahren das Ziel des digitalen Vorzeigeunternehmens erreicht haben. Des Weiteren sehe ich uns in fünf Jahren schon so weit, dass wir unsere Expertise als 360°-Dienstleistungsunternehmen weiter ausgebaut haben und unsere Lösungen die Energie-, Wärme- und Mobilitätswende maßgeblich beeinflussen.

DIGITAL FUTUREmag: Ganz herzlichen Dank für dieses aufschlussreiche Interview und weiterhin viel Erfolg bei der Umsetzung der aufgezeigten Strategien und Visionen.

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