Kommando: Alle ins Home Office

Kommando: Alle ins Home Office

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Die große Studie - im Interview mit Dipl.-Psychologe Joachim E. Lask vom WorkFamily-Institut

Das Home Office ist mit der Corona-Pandemie in den Fokus gerückt. Für Unternehmen ist dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt oft die einzige Möglichkeit, Projekte und Aufträge abzuarbeiten. Doch wie meistern Unternehmen und Mitarbeiter die neue Herausforderung Home Office? Denn plötzlich befinden sich Arbeit und Privates in den eigenen vier Wänden?

Was kann der Arbeitgeber tun, um Mitarbeitende individuell auf das Home Office vorzubereiten und zu begleiten, damit Arbeitsziele erreicht werden und die Mitarbeitenden gesund bleiben? Genau zu diesem Themenkomplex haben Diplom-Psychologe Joachim E. Lask, Jg. 1962, Vater von fünf Kindern, Buchautor, Gründer und Leiter des WorkFamily-Instituts in Darmstadt und Professorin Dr. Eleonore Soei-Winkels an der FOM für Wirtschaftspsychologie eine umfangreiche Studie erstellt, bei der bereits knapp 500 Teilnehmer ihre Meinung und Erfahrungen geteilt haben. Im Interview mit Joachim E. Lask sprechen wir daher über die Vor- und Nachteile von Home Office sowie das Management von Privatem und Beruflichem im eigenen Haushalt.

DIGITAL FUTUREmag: Das Arbeiten im Home Office ist das Gebot der Stunde. Herr Lask, was war ihr Hauptbeweggrund jetzt aktuell eine Studie zum Bereich Home Office zu erstellen?

Joachim E. Lask: „Gebot der Stunde…“ trifft es ziemlich gut. In der Pandemiezeit wollen wir unseren Beitrag leisten, in dem wir gutes Wissen schaffen, wie Mitarbeitende und Führungskräfte im Home Office produktiv und gesund bleiben. Denn unsere Expertise als WorkFamily-Institut liegt ja genau darin, wie Erwerbstätige den privaten (Family) und beruflichen (Job) Kontext gut managen und diese Erfahrung sogar produktiv nutzen. Wir nennen das dann Work-Life / Work-Family Enrichment.

DIGITAL FUTUREmag: Die Teilnahme an der Studie verlangt über 25 Minuten eine hohe Aufmerksamkeit. Dennoch haben sich knapp 500 Teilnehmer, davon viele Führungskräfte, an der Studie beteiligt. Damit hebt sie sich schon jetzt von vielen vergleichbaren Fragebögen und Studien ab. Was ist die wichtigste Erkenntnis für Sie aus dieser Studie?

Joachim E. Lask: Zunächst unsere wertvollste Erkenntnis: Etliche Teilnehmende gaben uns in etwa folgende Rück-meldung: „Allein die Teilnahme an der Studie hat mir gute Impulse zur besseren Gestaltung meines Home Office gegeben.“ Das freut uns natürlich mega im WorkFamily-Institut. Nun zu zwei zentralen Ergebnisse der Studie. (1) Unsere Analysen zeigen eindeutig: Die aktive Begleitung des Mitarbeitenden in das Home Office durch die Führungskraft ist das A & O. Diese ist leider kein Standard und besonders Corona-Novizen haben kaum Unterstützung erhalten. Unsere Analysen zeigen signifikant, dass mit einem Pre- und Onboarding die Produktivität steigt und die Gesundheit der Mitarbeitenden gut erhalten bleibt.
(2) Entsprechend fordern 3 von 4 Führungskräfte qualifizierte Weiterbildung zum Onboarding Home Office. Dies spiegeln auch die Einschätzungen der Mitarbeitenden deutlich: Mehr als 80 Prozent beklagen, dass ihre Führungskräfte zum Home Office keine Weiterbildung erhalten haben.

DIGITAL FUTUREmag: In der Studie fragen Sie auch danach, wie Führungskräfte zur Arbeit im Home Office stehen und wie sie sich und Ihre Mitarbeiter organisieren. Welche Aussage können Sie zu diesem Bereich der Fragen machen?

Joachim E. Lask: Die Führungskräfte haben die Chancen des Home Office klar für sich erkannt. Zum einen vertrauen sie ihren Mitarbeitenden, im Home Office gleich produktiv zu sein als mit der Präsenz im Unternehmen (87 Prozent). Zum anderen wollen sie die Möglichkeiten im Home Office zu arbeiten, ausbauen (84 Prozent). Doch zwischen Wunsch und Wirklichkeit liegen noch Welten: Lediglich 16 Prozent der Führungskräfte geben an, dass ihnen das Onboarding der Mitarbeitenden in das Home Office gelungen ist.

DIGITAL FUTUREmag: Was müsste denn besser im Onboarding-Prozess gelingen?

Joachim E. Lask: Nun, wer im Home Office arbeitet hat den Kühlschrank, das Bett ggf. die Kinder, den Partner nebenan. Jetzt kommt es darauf an, wie Home OfficerInnen diese Situation lösen. Also fragten wir die Teilnehmenden, wie sie ihre Rolle als Erwerbstätige und Privatperson in den eigenen vier Wänden priorisieren. Hier gibt es vereinfacht formuliert zwei Typen: (1) Die Segmentierer wollen beide Rollen klar voneinander trennen. (2) Integrierer lassen es zu, dass mehr oder weniger beide Rollen ineinandergreifen. Wichtig ist nun, dass Mitarbeitende sich klar werden, welche Rollenpriorisierung sie leben wollen. Erst dann können sie dies kommunizieren, etwa mit weiteren Personen im Haushalt. Zwischen der Führungskraft und den Mitarbeitenden fehlt jedoch dieses Gespräch. Dies führt zu falschen Erwartungen bzw. übertriebener Skepsis und zwar auf Seiten der Mitarbeitenden ihrer Führungskräfte gegenüber. Irritationen, Konflikte führen zu Stress und letztlich schlechter Arbeitsmotivation. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

DIGITAL FUTUREmag: Ist es für Mitarbeitende mit Kindern schwieriger, sich im Home Office auf die beruflichen Aufgaben zu konzentrieren?

Joachim E. Lask: Ja, das ist ja eine Mehrfachbelastung für Eltern, die besonders mit der Pandemie (z.B. Homeschooling) plötzlich zu bewältigen sind. Dennoch weisen Eltern keine höheren Stresswerte auf als Mitarbeitende ohne Kinder. Im Gegenteil: “Elternsein“ scheint sogar vorteilhaft für das Gelingen des Home Offices zu sein. Das hat uns nicht überrascht. Denn Eltern beschreiben sich beispielsweise signifikant kompetenter in Verhandlungsführung, Organisation/Planung und Kooperation – sogenannte Home Office-Skills. Dieses Ergebnis bestätigt die Work-Family Enrichment Theorie, nach der Eltern in der Familie Skills erlernen und diese gewinnbringend im Job einsetzen können.

DIGITAL FUTUREmag: Welche Mitarbeitende kommen mit der Situation im Home Office gut zurecht und welche nicht?

Joachim E. Lask: Hierzu haben wir keine einfache Antwort. Zum einen können wir zeigen wie Persönlichkeitseigenschaften etwa wie Extraversion und Gewissenhaftigkeit einen direkten Einfluss haben. Zudem ist ganz klar: Home Office ist niemandem in die Wiege gelegt, sondern wird mit alltäglichen Erfahrungen gelernt. Zentral ist hier die Bereitschaft notwendige Home Office-Skills (weiter-)zu entwickeln. Schließlich spielen die einflussmächtigen Faktoren Mitarbeitende-Führungskraft-Beziehung und Unternehmenskultur zum Home Office eine entscheidende Rolle, ob die/der Mitarbeitende die Home Office-Situation bewältigt.

DIGITAL FUTUREmag: Und welche Skills sind nun von Bedeutung für das Arbeiten im Home Office?

Joachim E. Lask: Auch hier zeigen unsere Analysen ein differenziertes Ergebnismuster: Wir baten die Teilnehmenden aus 15 Home Office-Skills die fünf Wichtigsten zu priorisieren. So waren sich die Teilnehmenden positionsübergreifend einig, dass Selbstmanagement zu den TOP5 der Home Office-Skills gehöre, Perspektivenübernahme jedoch nicht. Korrelieren wir jedoch die vorgegebenen Skills mit den Outcomes, erweist sich die Perspektivenübernahme als ein zentral wichtiges Skill im Home Office und Selbstorganisation schafft es nicht unter die TOP5. Was bedeutet dies für künftige Weiterbildungen? Subjektive und objektive Bedarfe der Skill-Entwicklung sind bei der Personalentwicklung zu berücksichtigen.

DIGITAL FUTUREmag: Wenn Sie alle Ergebnisse und Erkenntnisse der Studie für sich einmal zusammenfassen, würden Sie Geschäftsführern und Entscheidern in den Unternehmen empfehlen, langfristig mehr in Richtung Auslagerung der Arbeit ins Home Office zu forcieren oder eher nicht?

Joachim E. Lask: Die Covid-Pandemie hat für das Arbeiten außerhalb des Unternehmens ein hohes Potential aufgezeigt. Damit geht auch ein Wechsel von Präsenzorientierung zur Ergebnisorientierung einher, was sehr zu begrüßen ist. Unsere Studie zeigt, wie wichtig eine aktive Begleitung der Mitarbeitenden beim Arbeiten im Home Office besonders in den ersten Tagen und Wochen ist. Videokonferenzen oder die Teilnahme an Online-Vorträgen sind Rekordschnelle zur Gewohnheit geworden. Das Arbeiten im Home Office ist aktuell ein Qualitätsmerkmal moderner Arbeit, mittelfristig jedoch ein notwendiger Zwischenschritt zur New Work.

DIGITAL FUTUREmag: Ganz herzlichen Dank für dieses aufschlussreiche Interview und die damit verbundenen Erkenntnisse.

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