Auf zu neuen Ufern - Ganzheitliche Ansätze, Building Information Modeling

Auf zu neuen Ufern - Ganzheitliche Ansätze, Building Information Modeling

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Im Interview mit Bettina Gehbauer-Schumacher, Inhaberin der Kommunikationsagentur Smart Skript und Expertin in der Baubranche

“Innovationen sind Trumpf” - so könnte das Motto der Baubranche lauten. Denn hier geht es immer um Gestalt gewordene Ideen. Nur wer dabei auf der Höhe der Zeit ist, kann zielgruppenspezifische Lösungen finden. Mit Bettina Gehbauer-Schumacher, Inhaberin der Griesheimer Kommunikationsagentur Smart Skript und spezialisiert auf die öffentlichkeitswirksame Darstellung von Architektur- und Energie-Trends, sprechen wir heute darüber, warum es für die nachhaltige Einführung von betrieblichen Neuerungen besonders wichtig ist, ausgewählte unternehmensexterne und -interne Aspekte zu beachten. Vor allem dann, wenn es um ganzheitliche Ansätze wie das digitale Arbeiten mit Building Information Modeling (BIM) geht.

DIGITAL FUTUREmag: Frau Gehbauer-Schumacher, die Zukunftsfähigkeit der eigenen Firma steht und fällt für EntscheiderInnen oder Geschäftsführende immer auch damit, ob sie sich progressiven technologischen Methoden öffnen oder neue Geschäftsideen annehmen wollen. Wie sorgt beispielsweise BIM dafür, Arbeitsprozesse zu verbessern, damit neue Gebäude effizienter entstehen?

Bettina Gehbauer-Schumacher: Nun, BIM verlangt zunächst eine neue Kultur des konstruktiven Miteinanders: ExpertInnen verschiedenster Disziplinen müssen ihre Kenntnisse früher und auf Augenhöhe zusammenzubringen. Zum erfolgreichen Einsatz der Methode ist es daher essentiell, Menschen, Prozesse und Technik in der Praxis eng miteinander zu verzahnen. Zentrales Element dafür ist ein objektorientiertes 3D-Modell mit darin hinterlegten Informationen, auf das sämtliche Projektbeteiligte Zugriff haben. Es hilft, eine integrierte Prozesskette mit konsistenten Daten über den Lebenszyklus abbilden zu können sowie transparent, strukturiert und nachhaltig zu arbeiten. Das erleichtert wiederum Entscheidungen beim Planen, kann beim Bauen zu einem optimierten Materialeinsatz führen und sorgt beim Betreiben für zielgerichtete Wartungen.

Politische Initiativen und (inter-)nationale Normierungsaktivitäten, also ISO, CEN, DIN und VDI, wollen BIM zum Standard machen. Entwicklungen wie diese bergen ein großes Potenzial, die Wertschöpfung zu erhöhen, wie beispielsweise die Studie "Reinventing Construction: A Route To Higher Productivity" des McKinsey Global Institutes (MGI) bereits 2017 offenbarte: Während die deutsche Gesamtwirtschaft seit 1995 um jährlich 1,32 Prozent produktiver wurde, verzeichnete die Baubranche ein jährliches Wachstum von 0,26 Prozent. Positive Effekte um das Fünf- bis Zehnfache könnten Verfahren mit mehr Standardisierung, Modularisierung und Vorfertigung bringen. Also beispielsweise auch der Einsatz von BIM, zumal er es ermöglicht, die im zentralen 3D-Modell hinterlegten Daten direkt für die Fertigung und/oder die Nutzung eines Gebäudes weiter zu verwenden.

Entscheidend ist stets, mit was sich die jeweils projektspezifischen Ansprüche optimal lösen lassen. Dementsprechend ist BIM - ebenso wie die gesamte Digitalisierung - kein Selbstzweck. Daher braucht es auch konkrete Fragestellungen für die eigene Zukunftsfähigkeit: Was sind die aktuell relevanten Aspekte im Umfeld von Veränderungsprozessen? Welche Art von Führung, Organisation und Geschäftsmodell bietet in diesem Umfeld die größten Chancen, erfolgreich zu agieren?

DIGITAL FUTUREmag: Mit welchen Maßnahmen bzw. Initiativen können Personalverantwortliche oder Angestellte mit Leitungsfunktionen Team-Projekte erfolgversprechend(er) beeinflussen und fördern?

Bettina Gehbauer-Schumacher: Ganzheitliches Führen, das Handeln im experimentellen Modus und ein stetiges Weiterentwickeln spielen hier die Hauptrolle. Dafür ist das Innovationsmanagement das Werkzeug der Stunde. Es hilft, das Risiko für ein Scheitern von Neuerungen zu reduzieren. Seine Bausteine sind ein konkretes Ziel samt Strategie, ein systematischer Prozess sowie eine innovationsfreundliche Unternehmenskultur. Letztgenannte zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass eine Organisation ihren Mitarbeitenden Freiraum lässt, für Ideen von innen (Diskussionskultur) und außen (Inspirationen - egal woher) offen ist, Verantwortlichkeiten klar und frühzeitig benennt sowie für Änderungen, Aufgaben und Lernen bereit ist.

Hilfreich ist zu klären, was man jeweils unter einer Innovation versteht. Denn sie kann sich auf die Bereiche Produkte, Prozesse, Struktur, Soziales, Marketing und das Geschäftsmodell beziehen. In der Praxis sind die Übergänge natürlich fließend.

Besonderes zu beachten ist, dass in der Gesellschaft eine Wertverlagerung von der Technologie zur Marke stattgefunden hat: Bei sich weltweit angleichenden Produkten und Standards haben das eigentliche Produkt und das damit verbundene Fertigungs-Know-how weniger Einfluss auf das Kaufverhalten der KundInnen. Wichtiger wird hingegen eine gute Markenposition durch eine intelligente Segmentierung und ein darauf abgestimmtes, differenziertes Angebot. Mit BIM ist derzeit noch sowohl das Eine als auch das Andere erzielbar, da sich die Methode erst zu etablieren beginnt.

DIGITAL FUTUREmag: Wie müssen wir uns einen planvollen Einsatz von BIM vorstellen?

Bettina Gehbauer-Schumacher: Im Vorfeld einer BIM-Implementierung gilt es, eine Strategie für das eigene Unternehmen zu entwickeln. Erster Schritt ist - wie beim Bauen - eine Bestandsaufnahme. Hier in der Form einer Gegenüberstellung von den unternehmenseigenen Stärken und Schwächen mit den äußeren Rahmenbedingungen. Wenn man dieser so genannten SWOT-Analyse - englisches Akronym für Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Risiken) - den angestrebten Soll-Zustand gegenüber stellt, ergeben sich notwendige Anhaltspunkte, was konkret angepackt werden muss. Dabei ist mit gezielten Fragen intensiv auf das individuelle Geschäftsmodell einzugehen.

Zweck solcher Überlegungen ist, über die Anpassung an die jeweiligen Kundenwünsche die Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens zu sichern. Denn nur wenn die Kundschaft zu der Einschätzung gelangt: "Das Wertangebot ist zum langfristigen Erfüllen meiner eigenen Kernaufgaben wichtig. Es unterstützt mich essentiell und hilft mir, Belastungen zu vermeiden.", wird ein Auftrag vergeben. Im Idealfall entsteht daraus später ein neuer Auftrag und sogar eine Empfehlung Dritten gegenüber.

DIGITAL FUTUREmag: Was ist bei der Einführung und Umsetzung einer solchen (Fach-)Innovation zu beachten, um wirklich eine positive Wandlung im Unternehmen zu bewirken?

Bettina Gehbauer-Schumacher: Für den Erfolg der neuen digitalen Methode bei Bauvorhaben sind zunächst die Menschen für den integralen Ansatz zu gewinnen. Darüber hinaus muss die Technik erweiterungsfähig ausgelegt werden. Für das Implementieren von BIM im eigenen Büro empfiehlt sich, an bereits vorhandene Strukturen anzudocken. So kommen nicht sämtliche Neuerungen auf einen Schlag, was in der Regel großen Widerstand erzeugt, sondern können schrittweise umgesetzt werden. Über eine Kooperation der sofort Veränderungswilligen sowie erste, sichtbare Fortschritte sollten nach und nach auch andere zum Mitmachen bewegt werden. Dies führt dazu, Fachwissen laufend zu erweitern, indem Fähigkeiten entwickelt und Prozesse im Team verbessert werden. Letztlich ergeben sich neue Gestaltungschancen und eine schnellere Kommunikation, wenn im Sinne des Gesamtprojekts gehandelt wird.

DIGITAL FUTUREmag: Wenn wir nun, bildlich gesprochen, vom einzelnen Baustein zum stabilen Haus kommen: Wie ist Ihr Fazit und Ausblick zur Business-Digitalisierung in Deutschland? Gibt es grundlegende strategische Empfehlungen, die Sie Unternehmen branchenübergreifend oder auch gewerbezentriert an die Hand geben können?

Bettina Gehbauer-Schumacher: Erfolgsfaktoren für das Fortbestehen eines Unternehmens am Markt sind unter anderem die Nähe zum Geschehen, Reaktionsfähigkeit und Flexibilität, Produktivität, Qualität, Kostenoptimierung und vor allem kollektive Ziele sowie Strategien.

Digitalisierung, Ordnungssysteme, Prozessoptimierung und veränderte Kundenwünsche (Dokumentationen, Sicherheiten) sind globale Entwicklungen, vor denen sich auch die Baubranche nicht verschließen kann. Hierzu kann BIM seinen Beitrag leisten. Weil der Einsatz der Methode mittelfristig absehbar und der Weg dahin noch gestaltbar ist, ergeben sich sowohl Chancen als auch eine Risikominimierung für alle Beteiligten. Neue Geschäftsfelder rund um BIM-Management, -Koordination und -Service können sogar zu einem Alleinstellungsmerkmal führen: einer Dienstleistung oder einem Produkt, das noch kein anderer anbietet.

Auf dem Weg dahin heißt es, mit offenen und wachsamen Augen durch die Welt zu gehen. Mit was lassen sich (KundInnen-)Probleme wirklich lösen? Zum Anschub von Digitalisierungsprojekten gibt es Fördermittel, so dass Unternehmen gegebenenfalls notwendige Investitionen nicht alleine stemmen müssen: https://transformation-it.de/foerderprogramme-digitalisierungsprojekten-durch-die-bundeslaender

DIGITAL FUTUREmag: Abschließend können wir feststellen: BIM birgt für die gestaltende Industrie eine Menge Potenzial. Welche weiterführenden Know-how-Lieferanten und Hintergrundinformationen empfehlen Sie insbesondere mittelständischen Interessenten, die sich intensiver mit diesem Tool beschäftigen möchten?

Bettina Gehbauer-Schumacher: Das Thema "BIM" steht auch bei Weiterbildungen im Mittelpunkt. Smart Skript und die DIN-Akademie bieten dazu das Seminar "BIM für KMU - Erfolgreich durch Digitalisierungsstrategien und neue Geschäftsmodelle" sowie die sechsteilige Webinar-Reihe "Inspiration für KMU: Aktuelle Entwicklungen zu BIM verstehen und für sich nutzen" an. Ziel ist es, Führungskräften und Verantwortlichen der Baubranche Wissen und Methoden zu vermitteln, die sie unmittelbar in der Praxis anwenden können.

DIGITAL FUTUREmag: Besten Dank für diesen Impuls gebenden Beitrag.

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